Verliebt verlobt Versace Roman
war kein Singstar-Territorium.
Einfach locker bleiben, sagte ich mir, als ich in die Bank hineinrutschte und einen beiläufigen Blick auf die Songliste warf. Ich würde nichts mehr trinken, sondern einfach
nur dasitzen und still sein. Diese Menschen sind meine potenziellen Freunde. Ich wollte bei ihnen nicht den Eindruck erwecken, eine Rauschkugel zu sein, die man verlassen hatte und die nach New York gekommen war, um sich hier zu Tode zu trinken.
»Hey, Engländerin«, Gina stand mit einer riesigen, grellfarbenen Margarita vor mir. »Die ist für dich. Ich habe dich und mich für ein Stück von den Spice Girls vormerken lassen. Fühl dich wie zu Hause.«
»Oh, danke.« Ein einziger Drink mehr konnte doch wohl nicht schaden, oder?
Neun
Der nächste Morgen oder eher frühe Nachmittag kam viel zu schnell, wenn man bedenkt, dass ich mich nach meiner mitreißenden Darbietung von »Wannabe« an nichts mehr erinnern konnte. Beim Versuch, mir einen Überblick zu verschaffen (was sehr viel einfacher gegangen wäre, wenn sich nicht alles gedreht hätte), sah ich mein Kleid, meine Schuhe und meine Handtasche allesamt über den Boden verstreut, also schien der Kollateralschaden sich hier gering zu halten. Als ich dann noch versuchte, mich umzudrehen, wurde die Bettdecke zu einer Zwangsjacke, und ich musste sie, geschwächt wie ich von meinem Kater war, loswerden. Ich strampelte wie eine Verrückte und schob sämtliche Laken weg, bis ich in meiner Unterwäsche schräg auf dem leeren Bett lag.
Und da hörte ich dann die Dusche laufen.
Nirgendwo im Raum gab es Hinweise auf eine andere Person. Ich hievte mich an der Bettkante hoch, bekämpfte den Drang, mich zu übergeben, und zog das Erste an, was mir in die Finger kam, eine weiße Bluse vom Vortag, aber da wurde die Dusche abgestellt. Erstarrt hockte ich in der offenen Bluse da und hielt mich an den Bettzipfeln fest. Die Badezimmertür wurde mit einem Klick entriegelt. Unschmeichelhafterweise zeigte mir der Wandspiegel genau das, was die Person auch sehen würde, wenn sie in wenigen Sekunden aus der Dusche kam, und das war nicht schön. Der elegant zerzauste Bob war ein Vogelnest, und Razor hatte gelogen. Da mein verschmiertes Augenmake-up nun wirklich nicht besser aussah, fand ich einen Punktabzug angemessen. Und die Vorstellung einer Frau in einem schwarzen BH, schwarzem Höschen und einer weißen Bluse mochte sich sexy anhören , aber glauben Sie mir, in dem Moment war sie das nicht. Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern - wer konnte das sein? Der Banker-Typ war es nicht, der war beim Karaoke nicht dabei gewesen, Ginas Freund, Ray, der mit mir im Duett das Publikum mit »You’re the One that I Want« begeistert hatte, konnte es sein, aber nein, der war definitiv schwul. Und was war mit dem kleinen Pagen, der uns mit »Don’t Stop Me Now« unglaublich beeindruckt hatte? Ne, auch wieder schwul. Shit, Joe konnte es nicht sein. Nicht Joe, der unheimlich hinreißende Kellner. Bitte nicht. Bitte nicht. Bitte - zu spät, die Badezimmertür ging auf.
»Einen schönen Nachmittag, Schlafmütze«, trällerte die Stimme fröhlich. »Also ich habe mich köstlich amüsiert, und ich finde, du bist ein ganz tolles Mädchen, aber nun muss ich gehen.«
Gott sei Dank, es war Jenny.
Sie stand vor mir im flauschigen Badetuch mit nassen Haaren und strahlte von Kopf bis Fuß und lachte sich schlapp.
»Du wusstest nicht, dass ich das bin, nicht wahr?«, presste sie zwischen Gekicher heraus. »Meine Güte, Angie, du bist die schlimmste Trinkerin, die ich je gesehen habe. Und ich mache jetzt keinen Spaß, aber richtig gut siehst du nicht aus. Daran solltest du vielleicht arbeiten, ehe du auf dieses Pferd steigst.«
Ich hockte nur da und starrte sie einen Moment lang verdutzt an und wartete darauf, dass mir alles wieder einfiel. Nichts. Das Einzige, was wieder zurückkam, war … Sushi. Ich hatte Sushi gegessen. Und das kam jetzt tatsächlich wieder. Ich drängte mich an Jenny vorbei und steuerte direkt auf die Toilette zu. Zum Glück lachte sie dieses Mal nicht, sondern erwies sich nicht nur als gute Lebensberaterin, sondern zeigte auch, wie großartig sie Haare aus dem Gesicht halten und Gläser mit Wasser anreichen konnte. Und als sie mich dann noch komplett ausgezogen und mir in die Dusche geholfen hatte, begann ich mich langsam wieder wie ein Mensch zu fühlen. Dies war auf jeden Fall ein Crashkurs in Freundschaft.
»Fühlst du dich jetzt besser?«, Jenny war wieder zurück
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