Verliebt, Verrückt, Verheiratet: Roman
Sie wollte vor allem ihn nicht um sich haben.
Auf ihrer Armbanduhr war es fünf. Sie blickte ihren Pudel an und zog eine Grimasse. »Ich fürchte, wir müssen etwas für unsere Charakterbildung tun.«
Im Butterblumen-und-Rosen-Salon hatten sich etwa zehn Gäste zum Nachmittagstee eingefunden, doch Molly konnte sich nicht vorstellen, dass das Gebotene den Maßstäben des Victoria- Magazins gerecht wurde. Auf dem Intarsientisch an der Längsseite des Raumes fanden sich eine aufgerissene Tüte Kekse, ein Krug Traubensaft, eine Kaffeekanne, Styroporbecher und ein Glas, dessen Inhalt nach Pulvertee aussah. Trotz dieses mageren Angebots schienen sich die Gäste bestens zu unterhalten.
Das Vogelkundler-Ehepaar Pearson unterhielt sich mit zwei ältlichen Damen, die auf dem Blümchensofa hockten. Gegenüber waren zwei weißhaarige Ehepaare ins Gespräch vertieft. An den knotigen Fingern der Frauen glitzerten alte Diamanten und Ringe etwas neueren Datums, vermutlich Geschenke ihre Ehemänner zum letzten Hochzeitstag. Einer der Männer trug einen wahren Walrossschnurrbart, der andere eine lindgrüne Golfhose und dazu weiße Lackschuhe. Ein etwas jüngeres Ehepaar, vielleicht Anfang Fünfzig, wohlhabende Vertreter der Babyboom-Generation, sah aus, als wäre es soeben einer Ralph-Lauren-Werbung entstiegen. Die beherrschende Figur des Raumes war allerdings Kevin. Wie er da stand, lässig an den Kamin gelehnt, sah er aus wie der Gutsherr persönlich. Statt in Shorts und Stars-T-Shirt hätte er ebenso gut in Reithosen und Tweedjackett stecken können.
»… da sitzt also der Präsident der Vereinigten Staaten genau in Höhe der Fünfzig-Yards-Linie, die Stars liegen vier Punkte zurück, es sind nur noch sieben Sekunden zu spielen, und es fühlt sich verdammt so an, als hätte ich mir das Knie verstaucht.«
»Das muss aber sehr schmerzhaft gewesen sein«, gurrte die Babyboomer-Frau.
»Den Schmerz spürt man immer erst, wenn das Spiel vorbei ist.«
»Ich erinnere mich noch genau an dieses Spiel!«, rief ihr Ehemann. »Sie haben Tippett am Fünfzig-Yards Post Pattern geschlagen, und die Stars haben mit drei Punkten Vorsprung gewonnen.«
Kevin schüttelte bescheiden den Kopf. »Das war reine Glückssache, Chet.«
Molly verdrehte die Augen. Niemand kämpfte sich bis an die Spitze der NFL, nur weil er so viel Glück hatte. Kevin hatte es geschafft, weil er einfach der Beste war. Mit seinem bescheidenen Guter-alter-Junge-Getue mochte er vielleicht die Gäste betören, doch sie täuschte er damit nicht.
Alles in allem war die Szene ein Zeichen für seine beispiellose Selbstdisziplin, das musste sie, wenn auch widerwillig anerkennen. Niemand hätte vermutet, dass er diesen Ort am liebsten so schnell wie möglich verlassen hätte. Sie hatte völlig vergessen, dass er ein Pfarrerssohn war. Ein Fehler, wie sie jetzt erkannte. Kevin war ein Mann, der seine Verpflichtungen einhielt, auch wenn es ihn noch so anwiderte. Aus dem gleichen Grund hatte er sie geheiratet.
»Ich kann es noch immer nicht glauben«, flötete Mrs Chet. »Als wir uns für dieses Bed & Breakfast im entlegensten Nordosten Michigans entschieden haben, hätten wir doch niemals damit gerechnet, dass der berühmte Kevin Tucker unser Gastgeber wäre.«
Er schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln. Vielleicht sollte
man sie warnen, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm zu flirten, wenn sie keinen ausländischen Akzent hatte.
»Ich würde gern mehr von Ihren Spielen hören.« Chet zupfte den marineblauen Baumwollpullover zurecht, den er um sein irischgrünes Polohemd geschlungen hatte.
»Wie wär’s, wenn wir beide heute Abend auf der Veranda ein Bier zusammen trinken?«
»Da würde ich mich Ihnen gern anschließen«, meldete sich das Walross, auch die lindgrüne Golfhose nickte begeistert.
»Dann sehen wir uns also alle heute Abend«, stimmte Kevin großzügig zu.
John Pearson machte sich über den letzten Keks her. »Jetzt wo Betty und ich Sie persönlich kennen, werden wir uns ein bisschen näher mit den Stars beschäftigen müssen. Sie, äh, haben nicht zufällig noch einen Rest von Judiths Zitronen-Mohn-Kuchen im Kühlschrank?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Kevin. »Was mich daran erinnert, dass ich mich am besten schon im Voraus für das morgige Frühstück entschuldige. Pfannkuchen aus einer Fertigbackmischung ist das Beste, was ich Ihnen anbieten kann. Wenn Sie also lieber abreisen möchten, habe ich dafür volles Verständnis. Und das Angebot, Sie
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