Verliebt, Verrückt, Verheiratet: Roman
angenehm, und langsam ließ die Anspannung, die sie schon den ganzen Tag mit sich herumschleppte, ein wenig nach. Sie hörte das Wasser eines Baches plätschern und drehte sich, um danach zu suchen. Da entdeckte sie plötzlich etwas derart Deplatziertes, dass sie blinzeln musste.
Ein verchromter Esstischstuhl mit einer Sitzfläche aus rotem Plastik.
Lilly konnte sich nicht vorstellen, was der Stuhl da mitten in der Wiese zu suchen hatte. Als sie darauf zuging, entdeckte sie auch den Bach zwischen Farnen, Schilf und bemoosten Steinen. Der Stuhl stand auf einem von Flechten überwucherten Felsbrocken. Der rote Plastiksitz glänzte in der Sonne, es war kein Rost daran zu entdecken, also stand er erst seit kurzem dort. Aber warum?
Er kippelte bedenklich, als sie ihn berührte.
»Lassen Sie die Finger davon!«
Sie fuhr herum und sah einen Bär von Mann im Sonnenlicht am anderen Ende der Lichtung hocken.
Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle.
Hinter ihr klatschte der Stuhl in den Bach.
»Verdammt!« Der Mann sprang auf.
Er war riesig groß, mit Schultern so breit wie die zwölfspurige Stadtautobahn in L. A. und einem düsteren, markanten Gesicht, das dem Bösewicht in einem alten Western alle Ehre gemacht hätte. Ich habe Möglichkeiten, eine Frau wie dich zum Reden zu bringen. Das Einzige, was fehlte, waren Bartstoppeln auf seinem grimmigen Kinn.
Seine Haare sahen aus wie der Albtraum eines Hollywoodstylisten oder der Wunschtraum, da war sie sich nicht sicher. Dick und grau an den Schläfen, zu lang im Nacken, wo es schien, als hätte er sie bereits mit dem Messer gekürzt, das er ohne Zweifel in seinem Stiefelschaft trug. Allerdings trug er nur ein Paar abgewetzter Laufschuhe und Socken, die bis zu den Knöcheln heruntergerutscht waren. Seine Augen standen geheimnisvoll und dunkel in dem tief gebräunten, gefährlich zerfurchten Gesicht.
Jeder Castingagent in Hollywood hätte sich nach ihm die Finger geleckt.
All diese Gedanken schossen Lilly durch den Kopf, an Stelle des einen, der angemessen gewesen wäre: Lauf weg!
Er kam langsam auf sie zu. Die Beine unter seinen kakifarbenen Shorts waren braun und kräftig. Er trug ein altes blaues Arbeitshemd, dessen aufgerollte Ärmel den Blick auf muskulöse, dunkel behaarte Unterarme freigab. »Wissen Sie eigentlich, wie lange ich gebraucht habe, diesen Stuhl genau da zu platzieren, wo ich ihn haben wollte?«
Sie wich vor ihm zurück. »Wissen Sie sonst nichts mit Ihrer Zeit anzufangen?«
»Finden Sie das etwa witzig?«
»Oh, nein.« Sie wich immer weiter zurück. »Gar nicht witzig. Bestimmt nicht.«
»Haben Sie Ihren Spaß daran, die Arbeit eines ganzen Tages zu verderben.«
»Arbeit?«
Er runzelte die Brauen. »Was machen Sie denn da?«
»Machen?«
»Bleiben Sie stehen, und hören Sie auf, vor mir in Deckung zu gehen!«
»Ich gehe nicht in Deckung.«
»Ich tu Ihnen doch nichts, verdammt noch mal!« Er grummelte vor sich hin, während er zu seinem vorherigen Sitzplatz
zurückstapfte, wo er etwas vom Boden aufhob. Sie nutzte die Gelegenheit und bewegte sich vorsichtig auf den Pfad zu.
»Ich habe doch gesagt, Sie sollen sich nicht bewegen.«
Er hatte eine Art Notizbuch in der Hand und kam ihr nicht mehr finster vor, nur noch unglaublich unhöflich. Sie schaute ihn mit dem ganzen Hochmut einer Hollywoodkönigin an. »Sie haben wohl ihre guten Manieren vergessen.«
»Energieverschwendung. Ich komme hierher, um meine Ruhe zu haben. Ist das zu viel verlangt?«
»Überhaupt nicht. Ich gehe sofort.«
»Da rüber!« Ärgerlich deutete er mit dem Finger zum Bach hinüber.
»Wie bitte?«
»Setzen Sie sich da hin!«
Sie hatte jetzt keine Angst mehr, sie war nur noch verärgert. »Wohl kaum.«
»Sie haben mir die Arbeit eines ganzen Nachmittags zerstört. Es ist also das Mindeste, was Sie tun können, mir ein Weilchen Modell zu sitzen.«
Jetzt erkannte sie, dass er einen Skizzenblock in der Hand hielt und kein Notizbuch. Er war also ein Künstler. »Wie wäre es, wenn ich Sie einfach in Ruhe lasse.«
»Ich habe gesagt, Sie sollen sich hinsetzen!«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, wie unhöflich Sie sind?«
»Ich gebe mir alle Mühe. Setzen Sie sich auf den Stein dort mit dem Gesicht zur Sonne.«
»Danke, aber ich sonne mich nie. Das ist schlecht für den Teint.«
»Ich würde so gerne mal eine schöne Frau kennen lernen, die nicht eitel ist.«
»Danke für das Kompliment«, sagte sie trocken. »Aber die schöne Frau liegt etwa zehn Jahre und
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