Verliebte Abenteuer
und immer einen langen, bis auf die Erde reichenden Gummimantel getragen, dessen unterer Rand stets braun von Lehm gewesen war. Es mußte damals noch mehr als heute geregnet haben in Schottland, und noch kälter mußte es auch dauernd gewesen sein, denn William konnte sich erinnern, daß sein Großvater oft gesagt hatte: »Babroudh, der Säufer, ist schon wieder blau. Er muß sich ständig, wie er sagt, innerlich anwärmen. Wenn er nicht ein so guter Kutscher wäre, flöge er jetzt endlich.« Aber Babroudh flog nicht, soff weiter und starb mit 92 Jahren in seinem Stübchen über dem Stall friedlich und zufrieden mit sich und der Welt und den Pferden. Neben seinem Bett fand man eine leere Whiskyflasche.
Das war es, was William von Kutschern wußte, und es lag nicht auf seiner Linie. Er machte sich nicht sehr viel aus Whisky, und lange Gummimäntel mit Lehmrändern sah er auch nicht gern. Aber vielleicht gehörte das alles zu einem Kutscher – Whisky und Gummimantel –, wer weiß es? War dem so, dann würde das Spiel um Loretta seine bitteren Seiten haben, und William stöhnte leise und vornehm schon im voraus.
Dummer Kerl, denken Sie jetzt, was bedeutet das schon, für eine solche Frau wie Loretta einen Gummimantel zu tragen? Ja, das sagen Sie! Aber kennen Sie den schottischen Hochadel? Nein? Sehen Sie – das verändert die Sachlage ganz entschieden.
William begann dort, wo es am ungefährlichsten war.
Er änderte sein Gesicht. Sherlock Holmes hatte damit große Erfolge … warum sollte sie ein William Ashborne nicht auch haben?
Er trat an einen großen Spiegel heran und musterte sich. Ein dichter Bart umrahmte schon sein Gesicht und gab diesem etwas väterlich Würdiges. Als William in die Tasche griff und sich eine Nickelbrille mit Fensterglas auf die Nase setzte, wäre es selbst Tante Mary nicht mehr leicht gefallen, ihn wiederzuerkennen. Aber Ashborne ging noch gründlicher vor. Er begab sich – allerdings schweren Herzens – zu einem Friseur und ließ sich auch noch die Haare blond färben. Dann bändigte er mittels Pomade und Lotion seine Künstlertolle und ließ sich einen schönen, links sitzenden Scheitel ziehen. So machte er, besonders mit dem Bart, den Eindruck eines reifen, zuverlässigen Kutschers, der nichts anderes kennt als seine Pferde und die dazugehörigen Pflichten.
Am nächsten Tag machte William sich auf den Weg nach Aberdeen. Er fuhr bescheiden mit der Eisenbahn, stieg in Aberdeen mit seinen Koffern etwas umständlich aus und wurde von dem telegraphisch benachrichtigten Percy auf dem Bahnsteig in Empfang genommen.
»Hurra, da ist unser Flip!« freute sich Percy und bemächtigte sich der Koffer. »Höchste Zeit, daß du kommst, alter Junge. Bei Loretta brennt's. Die Süße hat einen Liebhaber.«
»Waaas?«
»Ja. Ich habe mich aber schon eingeschaltet. McFladden heißt der Kerl.«
»Ach der? Den du von Dr. More hast einsperren lassen?«
»Das weißt du schon?«
»Ja. Dr. More hat es mir geschrieben.«
»Und was sagst du dazu? Ideen muß man haben, nicht?«
»Ich werde dir etwas ganz anderes sagen, warte nur …«
William winkte einem Taxi und wies den Fahrer an, zweimal um Aberdeen herumzufahren. Als dieser dumm glotzte, gab ihm William drei Pfund, was wie eine Rakete wirkte. Schon setzte sich das Taxi in Bewegung und verstieß laufend gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung. Drei Pfund, grübelte der Fahrer. Die kommen nicht aus Schottland. Das sind Amerikaner oder Ganoven. Wahrscheinlich beides.
»Was hast du dir eigentlich gedacht«, fragte William Ashborne seinen Diener, Freund und Mitverschworenen. »Du läßt da einen Mann einfach einsperren, nur weil er Loretta schöne Augen macht. Das kostet uns eine Stange Geld – und vielleicht noch mehr! Der Staatsanwalt kann sich der Sache annehmen!«
»Mach dir keine übertriebenen Sorgen. Der ist ja freiwillig gegangen.«
»Freiwillig?«
»Ich habe ihm zehn Pfund versprochen.«
»Das ist der härteste Zwang, den es gibt, Percy. Was hast du Dr. More geschrieben?«
»Daß McFladden tobsüchtig sei und aus dem Verkehr gezogen werden müsse. Das ist geschehen, er steht uns nicht mehr im Weg. Jetzt sitzt er bei Dr. More und verdient sich die zehn Pfund.«
William schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt, Percy, total verrückt. Weiß der Teufel, wie ich das wieder beibiegen soll. Ich muß mir das noch überlegen. Nun fahren wir aber zu Loretta. Ich brenne darauf, die erste Stellung meines Lebens anzutreten.«
In diesen
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