Verliebte Abenteuer
Flip.«
Wenden? William erschrak sichtlich. Wie wendet man ein Vierergespann, wenn es trabt? Hält man erst an? Fährt man ohne Unterbrechung einen Bogen? Überhaupt – wie hält man an? William machte das einzige, was ihm richtig erschien – er zog Zügel und Kandare straff an, und aus seinem Munde ertönte ein lautes »Brrr!«.
Ein Wonnegefühl durchrieselte ihn. Die Gäule standen wirklich. Sie standen sogar wie angewurzelt. Es blieb ihnen gar nichts anders übrig, denn Williams scharfer Kandarenzug zwang ihre Köpfe nach unten.
»Gut«, meinte Loretta erstaunt. »Und jetzt zurück.«
»Jawohl, Mylady.«
William Flip blickte sich um. Sie befanden sich in einem lichten Wald. Die Straße war breit und ausgefahren. Am Straßenrand verlief ein kleiner Wassergraben, dahinter begann der Wald. Farne wiegten sich in der Sonne. Schmetterlinge gaukelten zwischen den Stämmen. Weit und breit waren die beiden allein. Ziemlich nahe, im rechten Winkel zur Straße, führte eine kleine Schneise in den dichteren Wald.
Flip blickte zur Seite auf Loretta.
»Mylady«, meinte er, »heute ist ein schwüler Tag. Die Pferde haben sicherlich Durst. Man sollte sie hier im Wassergraben tränken. Sehen Sie nur Jenny an – sie zittert schon vor Durst. Und Ajax, mein Gott, der arme Ajax, der röchelt bereits. Ich glaube, Mylady …«
Und da fiel das ominöse Wort. Da sagte Loretta (allerdings mit einem Lächeln, das wiederum versöhnte): »Flip, Sie sind ein Schwätzer!«
Aber sie gab ihm nach und stieg mit ihm sogar vom Wagen.
Halt! sagen Sie jetzt. Der Autor ist ein Schwätzer! Was hat er angekündigt? Kein Techtelmechtel im Wald – keine gaukelnden Schmetterlinge – keine trillernde Lerche! Und was kommt jetzt? Genau das! Gemach, Herrschaften, keine vorschnellen Urteile, bitte.
Wohl gingen die beiden in den Wald.
Aha!
Und in die Schneise gingen sie auch.
Sieh da!
Ja, und sie setzten sich auch in die Farne mitten in der Sonne.
Oje!
In Dreiteufelsnamen, sie sprachen auch von Liebe.
Haben wir doch gewußt!
Aber – und das ist das Tolle an der Sache: Sie sprachen über das Liebesleben des Lord Ashborne.
Über die angeblichen Freundinnen in London.
Und jetzt wird's bunt, denn William sah im Interesse seines Spieles keine andere Möglichkeit, als die von Percy ausgestreuten Greuelgeschichten zu bestätigen und sich selbst einen kleinen Harem anzudichten. (Es war die erste Dichtung, die ihm mißfiel.)
»Also stimmt es doch!« Loretta saß in den Farnen und spielte mit einem Grashalm. »Ich wollte das Lord Ashborne nicht zutrauen. Aber wenn Sie es sagen, Flip, wird's wohl seine Richtigkeit haben.« Sie sah ihn tiefgründig an. »Sie müssen sich ja im Hause Ashborne bestens auskennen. Das bestätigt auch Percy.«
Immer dieser Percy! William ballte insgeheim die Fäuste. Er blickte auf Loretta, die neben ihm in den Farnen saß. Er biß sich auf die Lippen. Verdammt! Nun ist man nur ein dummer Kutscher. Nun muß man sich selbst schlecht machen. Das ist die Strafe für all die Lügen, mit denen man ein blödsinniges Abenteuer begann.
»Ich kann nur wiederholen, daß Lord Ashborne ein wunderbarer Arbeitgeber war«, meinte er. »Seine leichte Ader – na ja, jeder hat Fehler.«
»So?« Loretta sah ihn lächelnd an. Ihre Augen sind herrlich, dachte William. »Habe ich auch Fehler, Flip?«
»Es steht mir nicht zu, über meine Herrin zu urteilen.«
»Und wenn ich es Ihnen gestatte?«
»Lieber nicht.«
»So schlechte Eigenschaften habe ich?« Loretta erhob sich und strich mit der Hand Grashalme von ihrem Rock.
»Eigentlich nur eine, wenn ich mir diese Feststellung erlauben darf, Mylady.«
»Sie dürfen, Flip. Ich wünsche sogar, daß Sie mir sagen, welche das ist. Vielleicht kann ich mich bessern.«
»Mylady merken manches nicht.«
»Was merke ich nicht?« Loretta sah Flip mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Das ist das Neueste, daß es mir an Sensibilität fehlen soll.«
»Doch, Mylady. Lord Ashborne wäre jedenfalls nie auf Abwege geraten, wenn Sie ihm – verzeihen Sie, daß ich das sage – Gelegenheit gegeben hätten, sich Ihnen zu erklären.«
»Ach so!« Loretta lachte hell. Welch ein raffinierter, geriebener Bursche, dachte sie dabei. Jetzt ist er es doch losgeworden. Unter der Maske des Flip hat er den Mut, es mir zu sagen. Wie schade, daß er sein Inkognito noch nicht lüften darf. Er würde in größte Verlegenheit geraten, wenn er jetzt erführe, daß ich sein Spiel durchschaut habe.
Bei diesem munteren
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