Verliebte Abenteuer
gekommen, sondern ich habe sie kommen lassen, um dein Inkognito zu lüften und mich vor ihr mit dir zu verloben.«
»Ha!« William lachte schrill auf. »Auch das noch! Du hast Tante Mary kommen lassen. Sehr schön! Wirklich sehr schön. Das hätte die Blamage des Lord Ashborne perfekt gemacht. Großes Theater am Strand. Tante Mary in großer Pose: ›O William!‹ Kleine Ohnmacht. Du in noch größerer Pose: ›Was, Sie sind Lord Ashborne, Flip? O pfui, Sie Scharlatan!‹ Und ich wäre dagestanden wie ein dummer Junge und hätte am Daumen lutschen können. Zwangsläufig hätte ich jubeln müssen, wenn du mich dann doch genommen hättest, denn so ein armer Irrer, der einen Kutscher spielt, muß froh sein, dennoch akzeptiert zu werden. Und endlich die Pointe: ›Ich habe alles von Anfang an gewußt.‹«
»Du tust mir weh, William«, sagte Loretta leise. Tränen glänzten in ihren Augen. »Ich wollte dich Tante Mary als meinen Verlobten vorstellen, wiederhole ich. Das war mein Plan. Ich konnte es kaum mehr erwarten.«
»Sehr dramatisch, wirklich. Wie bei Shakespeare: Der Narr kriegt die Prinzessin, weil er so gut blödeln kann«, antwortete William bitter. Sein ganzer Stolz, das Bewußtsein, von Beginn an durchschaut und an der Nase herumgeführt worden zu sein, bäumte sich in ihm auf. »Schluß!« rief er. »Begreifst du, es ist Schluß! Jetzt gebe ich dir einen Korb – aber keinen momentanen – nein, einen unabänderlichen. Ich denke nicht daran, dich zu heiraten. Ein Lord Ashborne, der so behandelt wurde, ehelicht nicht diejenige, welche das tat.«
»William!« Loretta sehne auf und wankte. »Du liebst mich doch?«
»Es war ein Irrtum.« William wandte sich zur Tür. »Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Geh zurück nach Aberdeen an deine Oper und sing fleißig deine Traviata oder deine Butterfly. Vielleicht wirst du einmal der Welt beste Sopranistin – bestimmt wirst du das … aber eine Lady Ashborne wirst du nie!«
Er knallte die Tür hinter sich zu und rannte aus dem Haus. Schluchzend fiel Loretta in ihren Sessel und bedeckte die Augen mit den Händen.
Er wußte nicht, was er sagte, dachte sie. Er liebt mich doch. Ich hätte ihm nicht verraten dürfen, daß ich im Bilde war. Ich hätte mir doch denken können, wie stolz er auf seinen Einfall war.
O Gott, was soll ich jetzt nur tun?
So saß sie eine ganze Weile und starrte durch das kleine Fenster hinaus auf das flache Weideland und auf den blaßblauen Himmel, der sich über der Insel und dem Meer spannte.
Ihre Gedanken waren tieftraurig. Sie haderte mit sich und dem Schicksal und wußte nicht, was sie machen sollte. Daß William ziemlich sauer reagieren würde, war vielleicht vorauszusehen gewesen – aber daß er sich so wild anstellte, das hatte sie nicht erwartet. Nun saß sie hier in dem kleinen Landhaus, William tief beleidigt. Er hatte sie abgekanzelt wie eine seiner Bekanntschaften in London, war weggerannt und hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, daß es zu einem endgültigen Bruch gekommen war. »Eine Lady Ashborne wirst du nie!« hatte er ihr ins Gesicht geschleudert, und sie war unter diesem Schrei zusammengezuckt, als ob er sie mitten ins Gesicht geschlagen hätte.
Percy schlich um das Haus herum, doch er wagte nicht, das Innere zu betreten, sondern bezog Posten in der Nähe der Tür. Frauen, die unglücklich lieben, muß man unter Kontrolle halten, dachte er. Bei Männern ist das halb so schlimm. Die saufen bloß. Aber Frauen, die schneiden sich die Pulsadern auf, drehen den Gashahn auf oder gehen ins Wasser.
Er hat mich wie eines seiner Weiber in London abgekanzelt, dachte Loretta wieder. Sie steigerte sich in einen Zustand hinein, der gefährlich war. Zorn und Haß, Stolz und Trauer verbanden sich in ihr. Ich kann ihn nie wiedersehen, jetzt nicht mehr, nachdem er mir solche Häßlichkeiten gesagt hat. Ich habe ihn lieb, ich bin ihm heimlich nachgefahren, ich habe gezeigt, wie sehr ich ihn liebe … und er kommt nicht einmal darüber hinweg, daß ich sein Spiel als Kutscher Flip durchschaut und eine Weile mitgespielt habe. Er hatte doch angefangen mit allem …
Nein, er kann mich nicht so lieben wie ich ihn. Und ich kann auch nicht wieder nach Aberdeen zurück, nachdem ich dem Direktor der Oper gesagt habe, daß ich in Kürze heiraten werde.
Für immer müßte ich mich degradiert fühlen. Nun, es gibt kein Zurück mehr.
Aber wohin soll ich denn?
Wohin?
Sie stand auf und trat vor den Spiegel. Mit zitternden Fingern ordnete
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