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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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lächeln. "Obwohl ich dir Ärger gebracht habe?"
      "Das ist nicht so schlimm. Ich finde, hier leiden alle viel zu sehr an Verfolgungswahn. Die ganze Zeit sind sie damit beschäftigt, den Ort zu tarnen, damit Satelliten ihn nicht finden können, und sie kodieren die Handtelefongesprächs, damit die nicht abgehört werden können. Und auch diese ganze Heimlichtuerei mit den Flüchtlingen ist total übertrieben. Und gefährlich. Überleg doch bloß – wenn du nicht clever genug gewesen wärst, um meine Anweisungen zu entschlüsseln, dann könntest du jetzt halbwegs in Alaska sein."
      "Ich weiß nicht, Shay. Vielleicht wissen sie, was sie tun. Die Behörden in der Stadt können ganz schön hart sein."
      Shay lachte. "Erzähl mir doch nicht, dass du das von den Besonderen Umständen glaubst."
      "Ich ..." Tally schloss die Augen. "Ich glaube nur, dass die Smokies vorsichtig sein sollten."
      "Ja, sicher. Ich sage ja auch nicht, wir sollten Reklameplakate aufstellen, aber wenn Leute wie du und ich herkommen und anders leben wollen, warum sollten wir das nicht tun? Ich meine, niemand hat das Recht, uns zu erzählen, dass wir hübsch sein müssen, oder?"
      "Vielleicht machen sie sich nur Sorgen, weil wir noch so jung sind, weißt du."
      "Das ist das Problem in den Städten, Tally. Alle sind da Kinder, verwöhnt und unselbstständig und hübsch. Genau so, wie wir es in der Schule gelernt haben, große Augen bedeuten: verletzlich. Aber wie du mir ja auch schon mal gesagt hast, irgendwann müssen wir erwachsen werden."
      Tally nickte. "Ich weiß, was du meinst, und dass die Uglies hier erwachsener sind. Das kann man ihnen vom Gesicht  ablesen."
      Shay hielt Tally fest und schaute ihr für einen Moment in die Augen. "Du fühlst dich schuldig, nicht wahr?"
      Tally erwiderte Shays Blick und war für einen Moment sprachlos. Plötzlich fühlte sie sich nackt in der kalten Nachtluft, als könnte Shay all ihre Lügen durchsuchen.
      "Was?", stammelte sie.
      "Schuldig. Du  hast nicht nur deinem Jemand über Smoke erzählt, sondern dieser Jemand kommt vielleicht sogar her. Und jetzt, wo du Smoke gesehen hast, bist du nicht mehr sicher, ob das wirklich eine gute Idee wäre." Shay seufzte."Ich weiß, auf den ersten Blick wirkt hier alles seltsam, und es bedeutet eine Menge harter Arbeit. Aber ich glaube, nach und nach wird es dir gefallen."
      Tally schlug die Augen nieder und spürte, wie ihr die Tränen kamen. "Das ist es nicht. Oder vielleicht doch. Ich weiß einfach nicht, ob ich ..." Ein Kloß im Hals hinderte sie am Reden. Wenn sie jetzt noch ein Wort sagte, würde sie Shay die Wahrheit gestehen: dass sie eine Spionin war, eine Verräterin, die hergeschickt worden war, um alles hier zu zerstören.
      Und dass Shay eine Idiotin war, weil sie sie hergeführt hatte.
      "Hör mal, ist doch schon gut." Shay nahm Tally in die Arme und wiegte sie sanft, während Tally anfing zu weinen. "Tut mir leid. Ich wollte dich nicht gleich mit allem belasten. Aber du kommst mir irgendwie so distanziert vor, seit du hergekommen bist. Als ob du nicht sicher wärst, ob du mich überhaupt ansehen willst."
      "Ich müsste dir alles erzählen."
      "Schhhhh." Tally spürte, wie Shays Finger ihre Haare streichten. "Ich bin einfach froh, dass du hier bist."
      Tally ließ ihren Tränen freien Lauf, sie vergrub ihr Gesicht im kratzenden Wollärmel ihres neuen Pullovers und spürte ShaysWärme und litt entsetzlich unter jeder mitfühlenden Geste ihrer Freundin.
      Einerseits war Tally wirklich froh darüber, dass sie hergekommen war und all das  hier gesehen hatte. Sie hätte ihr ganzes Leben in der Stadt verbringen können, ohne jemals so viel von Welt zu sehen. Andererseits bereute sie noch immer, den Anhänger nicht sogleich bei ihrem Eintreffen in Smoke aktiviert zu haben. Dann wäre alles so viel leichter gewesen.
      Aber sie konnte die Zeit ja nicht zurückdrehen. Sie musste entscheiden, ob sie Smoke verraten wollte oder nicht, und sie musste sich klarmachen, was das für Shay, für David und für alle anderen hier bedeuten würde.
      "Schon gut, Tally", murmelte Shay. "Das kommt schon in Ordnung."

 
 Verdacht
      

      
      Die Tage vergingen und Tally passte sich dem Leben in Smoke an.
      Die Erschöpfung, die harte Arbeit mit sich brachte, hatte etwas Tröstliches. Ihr Leben lang war Tally von Schlafproblemen geplagt worden, fast jede Nacht hatte sie wachgelegen und über Meinungsverschiedenheiten nachgedacht,

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