Verlockend untot
Parkplatz stapfte. Der eindrucksvolle Muskelberg in dem langen Ledermantel hatte kaffeebraune Haut, militärisch kurzes Haar und ein attraktives Gesicht – wenn er nicht gerade aussah, als wollte er jemandem den Kopf abreißen.
So sah er jetzt aus.
»Was zum Teufel ist hier los?«, ertönte seine Stimme, noch bevor er uns erreichte.
»Hallo, Caleb«, sagte ich resigniert.
»Ich wurde gebeten, sie fortzubringen, und deshalb habe ich sie fortgebracht«, sagte Pritkin dunkel.
»Du hattest die Anweisung, sie hereinzubringen!«
»Herein?«, fragte ich.
»Ins HQ«, erklärte Pritkin. »Als Jonas vom letzten Angriff erfuhr, bestand er darauf…«
»Und stattdessen hast du sie hierhergebracht!« Caleb winkte abrupt. »Mitten ins gottverdammte Vegas, mitten in der gottverdammten Nacht…
»Sie ist hier vollkommen sicher…«
»… mit nur einem verdammten Leibwächter…«
»Wonach sehen wir aus?«, fragte Jules.
«… obwohl die halbe Welt nach ihr sucht!«
»Und vermutlich nicht, um ihr guten Tag zu sagen«, fügte Fred hinzu.
»Die halbe Welt sucht beim Hotel nach ihr«, erwiderte Pritkin scharf. »Nicht hier.«
»Woher zum Teufel willst du das wissen?«, fragte Caleb. »Du weißt nicht, wer oder was der Angreifer ist. Das hast du dem Alten selbst gesagt.«
Ich glaubte zu wissen, wer der Alte war. »Du hast Jonas angerufen?«, fragte ich.
»Um ihn zu fragen, ob er irgendeine Ahnung hat, wer dich angegriffen haben könnte«, sagte Pritkin. »Nach dem, was wir von David Dryden gehört haben, kam mir ein bestimmter Verdacht, aber das ist nicht mein Fachgebiet…«
»Was fiir ein Verdacht?«
»Ich meine in Hinsicht auf das Geschöpf, mit dem wir es zu tun haben.« Er holte etwas unter seinem Mantel hervor und reichte es mir. Mein Blick fiel auf eine Bleistift-Zeichnung, die aussah wie …
Ich sah auf. »Woher hast du das?«
»Ein Künstler des Kreises hat das für mich gezeichnet, auf der Grundlage eines alten Bildes.«
»Eines alten Bildes von was?«
»Der Morrigan.«
»Der was?«
»Der Frau des Königs der Dunkelelfen. Nach der Beschreibung, die du mir gegeben hast, und nach Davids Hinweisen auf den Dialekt des Hohen Hofes und nach denen deines Dieners wegen der Götter, die von Menschen Besitz ergreifen können … Nun, ich hielt es für möglich. Vor allem dann, wenn man an den Namen denkt.«
»Was ist mit dem Namen?«
»Es ist ein keltischer Titel. Einige übersetzen ihn mit ›Große Königin« oder Schreckliche Königin«. Aber die älteste Version, und meiner Ansicht nach auch die korrekte, lautet ›Phantomkönigin‹.
Nach den alten Texten kann sie nicht nur in körperlicher Gestalt existieren, sondern auch als Geist.«
»Aber… das soll eine Elfe sein?« Ich betrachtete etwas, das wie ein Rabe in einem Gewitter aussah. Wie ein sehr böser und sehr zorniger Rabe.
»Ja und nein. Ihre Mutter war eine Dunkelelfe, doch ihr Vater war einer der alten Götter.«
Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Bitte, bitte, bitte …
»Möchtest du raten, welcher?«, fragte Pritkin.
»Nein, eigentlich nicht.«
»Cassie…«
»Das muss nichts mit der Ragnarök zu tun haben«, sagte ich stur.
»Der König der Dunkelelfen ist nicht gerade mein größter Fan, das weißt du. Vielleicht hat er sie geschickt…«
»Das ist nicht ausgeschlossen. Aber es bleibt die Tatsache, dass die Morrigan von den alten Kelten als Göttin des Kampfes verehrt wurde, denn ihr Vater…«
»Sag es nicht.«
»… der keltische Gott Nuada…«
»Ich höre nicht zu.«
«… der mit dem römisch-britischen Mars-Nodens in Verbindung steht…«
»Ich flehe dich an.«
»… den viele Gelehrten mit dem griechischen Gott Ares gleich-setzen …«
»Verdammt, Pritkin! Jonas kann doch nicht recht haben, oder?
Das ist unmöglich!«
»Ich sage nicht, dass er recht hat. Aber ist es nicht seltsam, dass David von einem Geist sprach, der sich bei ihm mit dem Hinweis zu entschuldigen versuchte, ›sie‹ würden ihn zwingen?«
Ich holte eine weitere Rolaids-Tablette hervor.
Caleb fluchte. »Und du bringst sie hierher, obwohl du weißt, dass es dieses Ding auf sie abgesehen hat!«
»Sie ist hier besser aufgehoben als an einem Ort, wo das Ding nach ihr sucht!«
»Moment mal«, sagte ich, schluckte die Tablette und versuchte, klar zu denken. »Ist David sicher, dass der Geist solche Worte an ihn gerichtet hat? Er verstand doch kaum etwas von der Sprache, oder?«
»Ja. Deshalb habe ich ihn von einer Linguistin besuchen
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