Verlockend untot
schlimm.«
Er sah mich nur an.
»Ich meine, ich bin gekommen und so, und das ist immerhin etwas …«
Ich unterbrach mich, weil mich plötzlich zwei starke Arme umgaben und meinen Kopf an eine harte Brust drückten. An eine Brust, die zu vibrieren schien. Ich brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, und selbst dann war ich mir nicht sicher, denn Pritkin hatte das Gesicht in meinem Haar vergraben. So unmöglich es auch zu sein schien … Lachte er vielleicht?
Neunundzwanzig
»Ich bin froh, dass ihr beiden eine so tolle Zeit habt«, sagte Caleb, als er kurz darauf zu uns kam.
Ich hörte ihn kaum und war viel zu sehr damit beschäftigt, Pritkin zu beobachten. Er war zur Seite geneigt, mit dem Kopf auf der Armlehne des Sofas, und bebte am ganzen Leib. Etwas, das verdächtig nach Tränen aussah, kam unter den geschlossenen Lidern hervor.
»Immerhin etwas«, murmelte er und schüttelte sich erneut.
Caleb sah ihn so an, als hielte er ihn für vollkommen übergeschnappt. Ich war mir gar nicht sicher, ob er nicht vielleicht recht hatte, denn Pritkin lächelte nur selten und lachte nie. Aber jetzt lachte er, und für einen Moment nahm ich den Anblick einfach nur in mich auf. Von all den seltsamen Dingen, die an diesem Tag geschehen waren, schoss dieses vielleicht den Vogel ab.
Und dann zerrte mich Caleb durch die Tür.
»Sind Sie klar bei Verstand?«, fragte er.
»Ich denke schon.«
»Gut. Dann können Sie mir vielleicht sagen …« Er unterbrach sich, denn irgendwo im Flur schloss sich eine Tür. Caleb sah sich misstrauisch um wie jemand in einem Agentenfilm und zog mich dann in ein anderes Büro.
In diesem standen Kartons an den Wänden, und auf dem Schreibtisch bildeten Akten gefährlich hohe Stapel. An der Rückseite der Tür hing ein Regenmantel an einem Haken. Caleb nahm ihn und zeigte ihn mir. »Ich möchte wissen, was mit meinem T-Shirt passiert ist?«
»Es ist nass geworden.«
»Und warum … Nein, warten Sie. Ich will gar keine Antwort.«
»Es ist nass geworden, weil ich es unter der Dusche getragen habe!«, sagte ich und streifte den Mantel über, der mir mindestens fünf Nummern zu groß war. »Wir haben nur miteinander geredet, Caleb!«
»Dann reden Sie noch etwas mehr. Zum Beispiel darüber, was wir machen sollen.«
»Was wir machen sollen?«
»Mit John, der zwar allem Anschein nach den Verstand verloren hat, in körperlicher Hinsicht aber erstaunlich fit ist für jemanden, der vor einer Stunde noch so gut wie tot war! Leute haben ihn gesehen, verstehen Sie? Und inzwischen haben sie bestimmt davon erzählt.«
»Wem?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Etwa zweihundert von unseren Jungs waren da, und die meisten von ihnen leben noch.«
»Warum so viele? Können wir nicht einfach sagen, dass eine Gasleitung explodiert ist oder so?« Es war im Dantes Standardausrede für die gar nicht so seltenen Seltsamkeiten, zu denen es recht oft kam.
»Was das Restaurant betrifft, kämen wir vielleicht damit durch.
Es könnte sogar zum Teil stimmen. Aber es bleiben zwei zerstörte Gebäude, ein verheertes Parkhaus und viertausend Pfund blutiges Drachenfleisch mitten in …«
»Schon gut, hab verstanden. Wir haben ein Durcheinander angerichtet.«
»Ein Durcheinander? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Leute das Geschehen beobachtet haben, von den Überwachungskameras ganz zu schweigen?«
»Wie gesagt, ich hab's kapiert.«
»Das bezweifle ich. Aber derzeit gilt meine Sorge nicht einmal diesen Dingen. Wissen Sie, was mich wirklich die Haare raufen lässt? Möchten Sie mal raten?«
Ich schwieg.
»Ich helfe Ihnen ein bisschen«, fuhr Caleb grimmig fort und begann mit einer unruhigen Wanderung durch den kleinen Bereich zwischen Tür und Schreibtisch. »Ich gehe die Sache immer wieder durch, auf der Suche nach einer anderen Erklärung. Immer wieder sage ich mir, dass ich verrückt sein muss, dass ich mich irre. Aber zwei und zwei ergibt vier. Und Inkubus plus Mensch ergibt…«
»Hören Sie auf.«
»Von wegen, ich habe gerade erst angefangen!« Caleb wirbelte herum und bewegte sich für seine Masse erstaunlich schnell. »Können Sie sich vorstellen, was geschehen wird, wenn sich alle anderen an diese kleine Rechenaufgabe machen?«
»Das werden sie nicht.«
»Ach, tatsächlich? Gehen wir's mal gemeinsam durch, ja? John wird von so viel Drachenblut getroffen, dass es genügt hätte, eine halbe Armee außer Gefecht zu setzen. Die üblichen Neutralisierungszauber wirken nicht, und das wissen alle
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