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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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dem Beifahrersitz hin und her zu rutschen. Es fiel mir sehr schwer. Ich wischte mir die Hände am Regenmantel ab und hinterließ dunkle Abdrücke auf dem beigefarbenen Stoff. Mit feuchten Augen starrte ich darauf hinab, voller Schmerz und Verzweiflung.
    Himmel, wenn es nicht bald aufhörte, würde ich komplett den Verstand verlieren!
    »Nach Ruths Tod bin ich für eine Weile ziemlich ausgerastet«, sagte Pritkin plötzlich.
    Ich blinzelte, denn die Worte kamen völlig unerwartet. Ein entsprechender Gedanke war mir durch den Kopf gegangen. »T-tatsächlich?«
    Pritkin nickte. »Meine Erinnerungen an jene Zeit sind nicht sehr deutlich, aber offenbar habe ich versucht, meinen Vater umzubringen. Ich weiß nicht mehr, was ich mir dabei dachte, aber vermutlich habe ich ihm die Schuld an Ruths Tod gegeben. Ich erinnere mich an den intensiven Wunsch, das Knacken seines Genicks unter meinen Händen zu hören, was vielleicht einen Hinweis bietet.«
    Ich befeuchtete mir die Lippen. »Es scheint dir nicht gelungen zu sein.«
    »Nein, aber ich kam der Sache verdammt nahe. So nahe, dass sie zusammen mit einigen früheren … Unbesonnenheiten den Dämonenrat davon überzeugte, dass ich eine Gefahr darstellte. Er verurteilte mich zum Tod.«
    »Zum Tod?« Ich drehte den Kopf und sah ihn an, so verblüfft, dass ich für einen Moment alles andere vergaß. »Aber… du hast deinen Vater doch gar nicht umgebracht. Und du warst nicht bei Sinnen, wie du selbst gesagt hast.«
    »Was nach den Gesetzen der Dämonen keine Rolle spielt.«
    »Das Urteil scheint nicht vollstreckt worden zu sein«, sagte ich.
    »Du lebst noch.«
    »Was ich dem Einschreiten meines Vaters verdanke.«
    »Du verdankst es deinem Vater?«
    Pritkin lächelte dünn. »Er war außer sich. Wie ich schon sagte, meine Erinnerungen an jene Zeit sind nicht sehr genau. Aber ich erinnere mich daran, dass er in den Ratssaal gestürmt kam und den Ratsmitgliedern vorwarf, ihm sein einziges Kind stehlen zu wollen.
    Er betonte, der Schaden sei bei ihm angerichtet worden, und deshalb gebühre es ihm, die Strafe zu bestimmen. Der Rat erklärte sich einverstanden.«
    »Und wie lautete das Urteil?«, fragte ich und fürchtete mich fast vor der Antwort.
    »Ich sollte zum Hof zurückkehren und dort meine Pflichten als Erbe wahrnehmen. Jene Pflichten, denen ich mich zuvor verweigert hatte. Mein Vater nahm vermutlich an, dass ich sie dem Tod vorzöge.
    Er irrte sich.«
    »Was? Soll das heißen, du wärst lieber gestorben?«
    »Das hielt ich für besser, als jahrhundertelang das Leben eines Sklaven meines Vaters zu führen. Und damals … Nun, Tod oder Leben, es war mir damals gleichgültig. Ich forderte den Rat auf, das Urteil zu vollstrecken und einen Schlussstrich zu ziehen. Als er meinem Wunsch nachkommen wollte, griff mein Vater erneut ein und bot einen Kompromiss an.«
    »Welchen Kompromiss?«, fragte ich und ahnte Schlimmes.
    »Ich sollte für immer aus den Dämonensphären verbannt werden.
    Bei der Rückkehr erwartete mich die Todesstrafe.«
    »Verbannt?«, wiederholte ich und runzelte die Stirn. »Wohin?«
    »Hierher. Auf die Erde.«
    »Aber… das klingt nicht nach einer sehr harten Strafe. Du hast ohnehin hier gelebt.«
    »Das meinte auch der Dämonenrat. Er betonte, viele vollblütige Dämonen würden sich darüber freuen, auf diese Welt ›verbannt‹ zu werden, wo es so viel Nahrung für sie gibt wie sonst nirgends in den Dämonensphären.«
    Ich nickte. Von Pritkin wusste ich, dass der Dämonenrat auch deshalb gegründet worden war, um die Anzahl der Dämonen zu regulieren, die sich jeweils zu einem gegebenen Zeitpunkt auf der Erde aufhalten durften. Andernfalls wäre es bei uns drunter und drüber gegangen.
    »Und warum hat man dir trotzdem die Rückkehr gestattet?«
    »Den Ausschlag gab das Argument meines Vaters, dass es kaum eine strengere Strafe gibt als die, einen Verhungernden in einen Bankettsaal zu schicken und ihm nicht zu erlauben, etwas zu essen.«
    »Ihm nicht zu erlauben …« Ich stockte und wusste nicht recht, ob ich es richtig verstanden hatte. Ich hatte Pritkin oft beim Essen gesehen und wusste daher, dass keine gewöhnlichen Nahrungsmittel gemeint waren. »Soll das heißen … du kannst… überhaupt nicht?«
    »Die mit dem Dämonenrat getroffene Vereinbarung war ganz einfach: kein Sex, weder von dämonischer noch von menschlicher Art. Ein Verstoß würde bedeuten, dass ich an den Hof meines Vaters zurückkehren und mich für immer seiner Autorität beugen

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