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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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zweiten Bad der Suite einschaltete, reflektierten die schwarz-weißen Fliesen das Licht mit einem kalten Schein. Dicke weiche Handtücher lagen hier und dort bereit, alle in einem reinen Weiß. Die Waschbecken aus schwarzem Marmor glänzten, und die kostenlosen Hygieneartikel befanden sich noch in ihren Zellophanhüllen. Das Bad war so makellos, als hätten Reinigungskräfte gerade ihre Arbeit getan.
    Oder als wenn nichts geschehen wäre.
    Ich entspannte mich ein wenig, wusch mir Gesicht und Hände, nahm dann eine Kasino-Zahnbürste und putzte die Zähne. Das Spiegelbild zeigte mir Ringe unter den Augen, eine farblose Haut und einen besonders schlimmen Fall von zerzaustem Haar. Ich zupfte an einem der größeren Knoten, der sich steif anfühlte und ein wenig grün war.
    Ich fragte mich kurz, was zum Teufel Pritkin auf mich gekippt hatte. Und dann überlegte ich, wie ich mich davon befreien konnte.
    Ein Bad stellte den offensichtlichen Anfang dar.
    Der Gedanke war mir gerade durch den Kopf gegangen, als ich zu zittern begann, so heftig, dass ich mich an einem der beiden Waschbecken festhalten musste. Ich starrte auf die glänzende weiße Wanne, die mir der goldgeränderte Spiegel präsentierte, und kam mir dumm vor. Es war eine Wanne; sie konnte mir nichts antun.
    Doch mein Körper hörte nicht auf mich.
    Das Zittern wurde so stark, dass ich am ganzen Leib bebte, und ich setzte mich, bevor ich fiel. Ich lehnte mich an den Schrank in meinem Rücken, schlang die Arme um die Knie und wartete darauf, dass es vorbeiging. Wenigstens war es hier nicht so heiß. Dieses Bad wurde nie benutzt – die Vampire hatten ihre eigenen Zimmer und duschten dort, und für Besucher gab es die kleine Gästetoilette beim Wohnzimmer. Deshalb hatte es niemand für nötig gehalten, einen Läufer auf die kühlen schwarzen und weißen Fliesen zu legen.
    Es nützte nichts. Die Schranktür schloss sich meinem Zittern an, mit einem halblauten Klicken und Klacken, als die Magneten an den Schließflächen die Eisenstreifen festhielten und wieder losließen.
    Schließlich rückte ich einige Zentimeter nach vorn, woraufhin es wieder still wurde. Das Zittern hörte leider nicht auf.
    Natürlich wusste ich, woran es lag. Den größten Teil meiner jungen Jahre hatte ich damit verbracht, vor meinem mörderischen Vormund Antonio Gallina zu fliehen, bei dem ich seit meinem vierten Lebensjahr aufgewachsen war. Hellseher – und ich meine echte, nicht die Tingeltangel-Sorte – wuchsen nicht an Bäumen, und als Tony erfuhr, dass einer der für ihn arbeitenden Menschen eine werdende Hellseherin als Tochter hatte … Da nahm er mich einfach.
    Nachdem er meine Eltern auf endgültige Weise aus dem Weg geräumt hatte.
    Er glaubte, seine Spuren gut verwischt zu haben, aber dabei vergaß er meine hellseherischen Fähigkeiten. Meine Eltern starben in einem großen orangeroten und schwarzen Feuerball, was sie einer Bombe verdankten. Und zehn Jahre später fühlte ich die Hitze der Explosion im Gesicht, roch den Rauch und schmeckte Staub.
    Eine Stunde nach der Vision lief ich weg, ohne große Vorbereitungen und ohne ein Ziel, und es hatte nicht lange gedauert, bis sich die Anspannungen in Form von Panikattacken bemerkbar machten.
    Die schlimmste hatte ich in einem Busbahnhof erlebt, als ich sicher gewesen war, unter den Wartenden einen von Tonys Jungs erkannt zu haben. Ich hatte bereits eine Fahrkarte gelöst und hielt sie in der Hand, aber plötzlich wusste ich nicht mehr, wohin ich gehen sollte. Die Busnummer stand auf der Karte, das wusste ich. Doch meine Hände hatten gezittert, und das Bild vor meinen Augen verschwamm, und als ich die Schrift auf dem Ticket schließlich entziffern konnte, ergab sie keinen Sinn, als stammten die Zeichen aus einer anderen Sprache, die ich nicht verstand.
    Damals hatte ich Glück gehabt. Ich verpasste den Bus, entging aber auch Tonys Burschen, wenn es wirklich einer von seinen Leuten gewesen war. Ich fand es nie heraus, glaubte aber, dass ich damals Gespenster gesehen hatte. Selbst die nicht so hellen Köpfe in Tonys Diensten hätten mich kaum übersehen können, als ich da im Busbahnhof stand und wie Espenlaub zitterte.
    Seit Jahren hatte ich keine Panikattacke mehr bekommen und geglaubt, sie hinter mir gelassen zu haben.
    Aber Furcht ließ man nie ganz hinter sich.
    Schließlich legte sich das Zittern, die Lider sanken nach unten, und ich lehnte den Kopf ans glatte Holz. Ich war fix und fertig, wusste aber, dass ich nicht schlafen

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