Verlockend untot
Problem ist, dass es nicht funktioniert. Jedes Mal wenn er Ihnen den Rücken kehrt, schafft es jemand, an Sie heranzukommen.
Es macht ihm Angst, und er ist nicht daran gewöhnt, Angst zu haben. Es ist zu lange her für ihn. Vielleicht erinnert er sich nicht einmal daran, was Angst bedeutet.«
»Muss angenehm sein«, murmelte ich.
»Ich bezweifle, dass er es angenehm findet«, erwiderte Marco trocken.
Ich schwieg, weil es nichts zu sagen gab. Ich wusste nicht, wie ich Mircea seine Sorgen nehmen sollte. Dazu war ich selbst viel zu besorgt. Ich sollte eine große Hellseherin sein, aber ich sah nie etwas Gutes, immer nur Tod und Zerstörung.
Hoffentlich nicht deshalb, weil es nur Tod und Zerstörung zu sehen gab.
»Ich bringe den neuen Jungs bei, wie man beim Poker verliert«, sagte Marco. »Möchten Sie mitspielen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin eine miese Pokerspielerin.«
»Umso besser. Die Jungs könnten eine Chance gebrauchen, etwas von ihrem Geld zurückzugewinnen.«
»Damit Sie es ihnen wieder abknöpfen können?«
Marco erhob sich mit der glatten Geschmeidigkeit aller Vampire, und bei einem Mann seiner Größe war sie sehr überraschend. »Das ist der Plan.«
»Vielleicht komme ich später darauf zurück«, sagte ich, als er mich hochzog. Aber ich folgte ihm in den Salon.
Vor meinem Einzug war die Suite für hohe Tiere bestimmt gewesen, für Leute mit mehr Geld als Verstand. Man stellte ihnen teure Zimmer kostenlos zur Verfügung, weil sie jeden Abend hundertmal so viel an den Spieltischen verloren. Dieses Apartment hatte sich besonderer Beliebtheit erfreut, weil es neben dem Esszimmer einen kleinen Salon mit einem Pooltisch gab, den die Wächter mit Beschlag belegt hatten. Dort saßen sie für gewöhnlich, wenn sie mir nicht dabei zusahen, wie ich mir die Zehennägel lackierte oder was in der Art, spielten Billard oder drängten sich wie jetzt am Kartentisch zusammen.
Marco gesellte sich der Pokerrunde hinzu, und ich ging in die Küche. Ich durfte nicht hoffen, dort Aspirin zu finden, denn Vamps bekamen keine Kopfschmerzen. Ich entdeckte Bier, aber so wie sich mein Kopf anfühlte, hatte ich für den kommenden Tag ohnehin einiges zu erwarten, und ich wollte es nicht noch schlimmer machen.
Also ließ ich die Finger von Marcos Dos Equis.
Ich wanderte ein bisschen umher, weil es zu heiß war, um zu schlafen, und fand ein sofaförmiges Loch im Wohnzimmerfenster, das versuchte, Nevada zu klimatisieren. Kein Wunder, dass es so heiß war. Zwei Wächter mussten mich fluchen gehört haben, denn sie sahen zur Tür herein und glotzten mich einen Moment an mit Augen, die in der Dunkelheit zu glühen schienen.
Ich trat auf den Balkon.
Er war nicht annähernd so groß wie der des Penthouse weiter oben, der Platz bot für einen Pool, eine Bar und ein Dutzend oder mehr Partygäste. Aber ich hatte einen Klubsessel in die Ecke ge-zwängt und ihm sowohl einen Katzentisch als auch mehrere Windspiele an der Brüstung hinzugefügt. Sie klimperten jetzt in der leichten Brise aus der Wüste. Auch auf dem Balkon war es heiß, aber die Hitze ließ sich dort etwas besser aushalten als im Backofen der Suite.
Wir waren so weit oben, dass man den Verkehr nicht hörte; es herrschte eine fast gespenstisch anmutende Stille. Laut wurde es hier nie – die Vampire mussten nicht miteinander reden, um sich zu verständigen, und manchmal schwiegen sie stundenlang, bis ich mich mit einer direkten Frage an sie wandte. Vor den Fernseher setzte ich mich nur in meinem Zimmer, und das eine Mal, als ich das Radio eingeschaltet hatte, waren mehrere Vampire mit so schmerzerfüllten Mienen herumgelaufen, dass ich es sofort wieder ausgeschaltet hatte.
An einem guten Tag fühlte ich mich wie in einem Museum, aber nicht als Besucher. Es fühlte sich eher an, als wäre ich eins der Aus-stellungsstücke, die ganze Zeit über beobachtet von einer Gruppe stummer Wächter, für den Fall, dass Diebe versuchten, das wertvolle Stück zu entwenden. An diesem Abend trieb es mich langsam in den Wahnsinn.
Nach einigen Minuten kehrte ich ins Apartment zurück und warf dabei einen Blick auf die Uhr. Sie hatte das ganze Durcheinander irgendwie überlebt und behauptete, dass es halb zehn war. Ich hatte wirklich nicht lange geschlafen. Eigentlich war es noch nicht zu spät, jemanden anzurufen, aber vielleicht…
Das Telefon klingelte.
Ich sprang zurück und unterdrückte einen Schrei — so schlecht war es um meine Nerven bestellt. Missmutig starrte
Weitere Kostenlose Bücher