Verlockend untot
Mircea und die Partygäste, nicht aber für den verdammten Magier, der die Lähmung wie einen alten Mantel abschüttelte, loslief und in der Menge verschwand.
Ich wollte ihm folgen und stemmte mich gegen die Kraft, die mich an Ort und Stelle festhielt, doch es fühlte sich wie der Versuch an, in einem Fluss kalter Melasse zu schwimmen. Die Zeit schwappte träge um mich, gab meinen Gliedern zusätzliches Gewicht und verlangsamte meinen Atem. Ich konnte den Magier nicht verfolgen.
Und ich konnte nicht zu ihr.
Bis ich mit meiner ganzen Kraft drückte und mit einem jähen Ruck freikam, der mich mitten in die Menge aus Menschen wie Statuen warf. Eine Frau fiel, steif wie ein Brett, und ihr roter Lippenstift schmierte über das Hemd des Mannes neben ihr. Eine andere Frau schwankte auf ihren High Heels, fiel aber nicht, weil andere Leute zu dicht um sie herumstanden.
Auch ich spürte den Druck der Menge, und dafür war ich dankbar, denn es bedeutete, dass der Magier langsamer vorankam. Ich sah, wie sein blonder Schopf immer wieder im Durcheinander erschien und im Licht glänzte. Es fiel mir nicht weiter schwer, den Burschen im Auge zu behalten, denn er überragte fast alle und war der Einzige, der sich bewegte. Aber selbst wenn ich ihn einholte - ganz allein konnte ich nicht mit einem irren dunklen Magier fertig werden.
Und Agnes konnte mir nicht helfen. Ich wusste nicht, was für ein seltsamer Mist mit der Zeit geschah, aber ich kannte diesen Trick.
Die Zeit anzuhalten, das war die größte Waffe in der Trickkiste der Pythia, gewissermaßen eine Trumpfkarte. Aber sie ließ sich nicht beliebig oft nutzen. Ich hatte einmal rein zufällig davon Gebrauch gemacht und war für den Rest des Tages völlig erledigt gewesen.
Und ich war viel jünger als Agnes.
Es jagte mir einen gehörigen Schrecken ein, denn sie kannte den Preis viel besser als ich. Wenn sie trotzdem zu diesem Mittel gegriffen hatte, dann konnte das nur bedeuten, dass ihr oder ihrer Erbin akute Gefahr drohte. Aber diesmal würde es nicht klappen und vielleicht sogar nach hinten losgehen. Denn wenn es der Magier schaffte, sich nicht von erstarrter Zeit lähmen zu lassen, konnte er meine Mutter und Agnes angreifen, während sie sich in Sicherheit wähnten und während Agnes einen großen Teil ihrer Kraft verausgabt hatte.
Ich musste ihm folgen, und ich brauchte Hilfe.
Es gab nur eine Person, die mir helfen konnte.
Ich sah dorthin, wo Mircea in der Luft schwebte, den Blick noch immer auf die Stelle gerichtet, an der sich der Magier gar nicht mehr befand. Ich packte ihn vorn am Hemd und zog, woraufhin er wie ein großer Ballon näher schwebte. Doch er blieb erstarrt und somit nicht imstande, mir zu helfen.
Es klappte nicht.
Mit Tränen des Zorns stand ich da, wütend darüber, dass ich mit meiner Kraft nicht umzugehen verstand, wie sehr ich mich auch bemüht hatte, den Umgang mit ihr zu lernen. Ich brauchte jetzt etwas, von dem ich nicht wusste, wie ich es bewerkstelligen sollte. Aber wenn es mir einmal gelungen war… Verdammt, dann sollte ich eigentlich in der Lage sein, es noch einmal zu schaffen. Kein blöder Magier von irgendeinem verrückten Kult würde mich bei meinem eigenen verdammten Spiel schlagen.
Ich grub die Hand in Mirceas Hemd, konzentrierte meine Kraft auf das träge Schwappen der Zeit zwischen uns und zog.
Zuerst geschah überhaupt nichts. Diesmal kam er nicht einmal näher, nicht einen Zentimeter. Doch während er räumlich unbewegt blieb, bewegte er sich in etwas anderem. Ich fühlte den Widerstand, der ihn festzuhalten und zurückzuziehen versuchte, während ich mir alle Mühe gab, ihn zu mir zu holen.
Es war unglaublich schwer, viel schwerer als in meinem eigenen Fall. Ich begann zu zittern und zu schwitzen, und fast hätte ich ihn verloren. Die Zeit schien glitschig zu sein und Mircea geölt, und ich musste ihn nicht nur zu mir ziehen, was reichlich Kraft erforderte, sondern auch noch darauf achten, dass er mir nicht entglitt. Ich fühlte, wie sich die Zeit von ihm löste, Schicht um Schicht, als streifte er nach und nach eine sonderbare Haut ab.
Und dann fiel ich plötzlich zu Boden, mit neunzig Kilo ausgeflipptem Vampir auf mir.
Mircea sprang sofort auf die Beine, ging nur einen Moment später neben mir in die Hocke und schnappte nach Luft. Verdammt, das war wirklich schlimm gewesen. Er schien ebenso zu empfinden, denn er sah sich wild um, ohne seine übliche Gelassenheit. Seidenes mahagonifarbenes Haar umwogte Mirceas
Weitere Kostenlose Bücher