Verlockend wie ein Dämon
begann sie die Beschwörungsformel zu rezitieren.
Das Amulett, das ohnehin bereits pulsierend gegen die Gegenwart des Dämons protestierte, wurde kochend heiß. Aber Lena weigerte sich, es loszulassen. Ebenso wenig verlangsamte sie den Fluss der Worte, und sie zögerte auch nicht, nicht eine Sekunde lang. Sie hatte eine Chance. Und sie würde sie nutzen.
Die Muskeln unter ihrer Hand spannten sich an, als Brian bemerkte, dass sich ihre Lippen bewegten, doch ansonsten reagierte er nicht. Während sie fortfuhr, die alten ägyptischen Worte zu sprechen, hob sich der Deckel des Amuletts. Ein schwaches Zischen war zu hören, und das Siegel, mit dem es vor mehr als viertausend Jahren belegt worden war, brach.
»Fahr zur Hölle.«
Gerade als Brian Malumos mitteilte, was er von dem Angebot des Dämons hielt, glitt der Deckel des Amuletts beiseite. Sofort wurden Fetzen des dunkelblauen Rauchs in den Hohlraum gesaugt. Durch den dämonenbannenden Zauber hielt das Amulett den Rauch in Schach und absorbierte ihn, ohne dass er Lenas Haut zu kontaminieren vermochte. Beherzt und noch immer im Flüsterton beschleunigte Lena die Beschwörung.
Der Strom des Rauchs in die Dämonenfalle wurde zur stetigen, mitternachtsblauen Fahne. Aber Malumos wollte nicht so einfach gehen.
»Nein!«, brüllte er. Anstatt dem Sog zu widerstehen, verließ er Heathers Körper, sodass sie umfiel, und stieg auf. Er war nun nicht viel mehr als eine vage umrissene, geisterhafte Form, die lediglich aus Rauch bestand.
Lena drehte sich in Brians Armen um und lächelte.
Ein Höriger konnte nur wenige Augenblicke außerhalb seines Wirts überleben. Sie hatte gewonnen. Und selbst wenn die Falle nicht zuschnappte, würde Malumos in die Hölle zurückkehren müssen.
Doch das Lächeln gefror rasch auf ihrem Gesicht.
Malumos kam mit voller Dämonengewalt auf sie nieder, als tödlicher blauer Sturm, entschlossen, ihr das Amulett aus der Hand zu reißen.
Lena sah sich in einer albtraumhaften Zwickmühle – entweder sie unterbrach den Zauber, um einen Schutzschild zu beschwören, oder sie machte weiter. Sie schloss die Augen und fuhr fort. Sie bereitete sich auf die zu erwartenden Feuerbälle vor und sprach, nunmehr mit lauter, fester Stimme, den Dämonenexorzismus. Heather würde nicht noch eine Besessenheit überleben.
Beim heißen Rauschen eines Feuerballs, der um Haaresbreite ihr Ohr verfehlte, sprang sie zur Seite, doch sie hielt nicht inne mit der Beschwörung. Nach diesem Feuerball kam ihr keiner mehr so nahe.
Als sie die Augen öffnete, erkannte sie den Grund dafür.
Brian stand zwischen ihr und Malumos. Sein Schwert fuhr mit großer Geschwindigkeit durch die Luft und parierte jeden Schuss des Dämons mit Kraft und Präzision. Sein vom Regen durchweichtes Shirt klebte ihm am Leib, sodass sich darunter jeder Muskel scharf abzeichnete. Seine sehnigen Arme sahen wie dicke Seile aus, und seine Schultern spannten sich mit einer Geschmeidigkeit, die die Anstrengung Lügen zu strafen schien. In Lenas Augen war er ein König unter den Kriegern.
Blauer Rauch strömte weiter in das Amulett und raubte Malumos Kraft und Form. Obwohl er raste und spuckte und unerbittlich kämpfte, war er dem alten ägyptischen Zauber nicht gewachsen.
In weniger als zwei Minuten war alles vorbei. Der Deckel des Amuletts schloss sich wieder, und der dünne Spalt, der ihn verriet, verschwand. Das Amulett sah nun wieder wie ein massiver goldener Anhänger aus.
Aber der Zauber war nur die eine Hälfte des Exorzismus.
Lenas Hand zitterte, als sie den Anhänger von der Kette löste und auf das Straßenpflaster legte. Die Versuchung, das Amulett zu behalten, es weiter zu benutzen – wie sie es ein Jahrhundert lang getan hatte, um verkäufliche Antiquitäten aufzuspüren –, war groß. Aber wenn Malumos jemals freikam, würde er so lange nach Heather suchen, bis er sie gefunden und umgebracht hatte.
Das war ein Risiko, das sich Lena nicht leisten konnte.
Ihr Blick begegnete dem von Emily, und das Mädchen nickte. Lena hob den Fuß, ließ ihn auf den Anhänger niedersausen und zertrat das weiche Gold mit dem Stiefelabsatz. Der Zauber des Amuletts richtete sich gegen sich selbst, fiel wie ein schwarzes Loch in sich zusammen und katapultierte das böse
Ba
des Dämons in die Vergessenheit. Das Echo eines Schreis ertönte in ihren Ohren, dann verhallte es, bis nur noch Schweigen blieb.
Flüchtig bohrte sich der Schmerz des Verlusts in Lenas Brust. Aber er wurde fortgespült, sobald
Weitere Kostenlose Bücher