Verlockend wie ein Dämon

zusammen in der winzigen Zelle war kaum zu ertragen. »Bist du übergeschnappt?«
    »Das hast du dir selbst eingebrockt«, gab Brian zurück und blätterte seine Zeitschrift um. »Wenn du nicht versucht hättest, auf dem Weg zum Flughafen aus dem Taxi zu springen, hätte ich dir vielleicht ein paar Freiheiten gelassen.«
    Der Fluchtversuch war nur Show gewesen. Er hatte erwartet, dass sie irgendetwas unternehmen würde, also hatte sie es getan. Solange er glaubte, ihr Ziel sei die Flucht, würde er wahrscheinlich nicht entdecken, worum es ihr wirklich ging – die Münze. Die leider nicht mehr in seinem Besitz war. Das Amulett hatte im Hotel nur schwach angezeigt. Genug, um ihr zu sagen, dass die Münze durch seine Hände gegangen war, aber nicht genug, um ihr den Aufenthaltsort preiszugeben.
    Lena seufzte. »Wovor hast du Angst? Wir befinden uns in einem Flugzeug in elftausend Metern Höhe. Wohin, glaubst du, könnte ich wohl abhauen?«
    Die Belustigung in seinen Augen schwand. »Komm schon, Lena. Wir wissen doch beide, dass du aus dem Flugzeug springen, im betonharten Wasser landen und einfach davonschwimmen könntest. Du hast schon bewiesen, dass du bereit bist, Verletzungen zu riskieren. Ich werde dich jedenfalls auf keinen Fall allein in den Waschraum lassen.«
    Sie biss sich auf die Lippen. Für einen Seelenwächter war es relativ einfach, durch den Kabinenboden in den Frachtraum vorzudringen. Aber aus dem Flugzeug springen? Ins Nichts? Nein danke. Flugreisen waren eine moderne Errungenschaft, mit der sie noch immer ihre Schwierigkeiten hatte. Selbst nach zahlreichen interkontinentalen Flügen ohne jeglichen Zwischenfall blieb sie ein Kind der Dampfschiffära, und beim Gedanken daran, durch die Luft zu jagen, war ihr nach wie vor nicht wohl.
    Was allerdings nicht hieß, dass sie sich von ihm einschüchtern lassen sollte.
    Ihr Blick riss sich von seinem Gesicht los und wanderte über seinen schlanken Hals hinab zu der breiten Brust und seinen Schultern – es war eine rein analytische Erkundung des Terrains, das sie würde überwinden müssen, um freizukommen. Eleganter Kaschmir umschmeichelte seinen Körper und ließ die harten, kraftvollen Muskeln darunter erahnen. Muskeln, die ihr bereits sehr vertraut waren, nachdem er sich mit allem, was er hatte, im Hotel auf sie gelegt hatte.
    »Wir würden gut zusammenpassen«, sagte er.
    Ihr Blick flog zurück nach oben.
Zusammenpassen?
Sie beide? »Bitte?«
    »Im Waschraum, wir beide. Das habe ich schon mal erlebt.«
    Natürlich. Und man brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was er dort getrieben hatte. Für sie gab es nur einen Grund, warum sich ein Mann und eine Frau gemeinsam in den Waschraum eines Flugzeugs zwängen sollten.
    Er schaute sie genauer an. »Wirst du etwa rot?«
    »Hör auf.« War diese Ermahnung an ihn gerichtet oder an ihre Fantasie? »Das ist doch lächerlich. Ich gehe jetzt aufs Klo, ob es dir passt oder nicht.«
    Lena langte über ihren Kopf und drückte einen Knopf, um die Stewardess zu rufen.
    »Ich bin dir immer einen Schritt voraus, Süße«, sagte Brian sanft.
    Sie sah ihn verwirrt an.
    »Ich hab den Rufknopf mit einem Bannzauber belegt.«
    Um seine Aussage zu prüfen, sah sie sich nach der Stewardess um. Die Frau sprach gerade mit einem Mann in der ersten Reihe und bot ihm eine Flasche Evian an. Sie schien nicht bemerkt zu haben, dass Lena ihre Hilfe angefordert hatte.
    »Und bevor du irgendeine Dummheit machst, zum Beispiel schreien«, fuhr er ruhig fort, »sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich einen hervorragenden Roma-Stimmenfluch kenne. Ich würde ja einen komplikationslosen Flug vorziehen, aber man hat mir gesagt, dass zu den Nebenwirkungen ganz fiese Anfälle von Übelkeit gehören, und deshalb wäre es mir lieb, dich nicht verhexen zu müssen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«
    Angst strich mit leichtem Finger Lenas Wirbelsäule hinab. Vielleicht hatte sie ihm zu schnell die Ich-will-die-Welt-retten-Geschichte geglaubt. »Du verkehrst mit Roma-Magiern?«
    »Klar. Stefan ist ein toller Bursche. Vielleicht ein bisschen seltsam, aber er ist uns sehr nützlich. Er schmiedet unsere Schwerter und verstärkt unsere Grundzauber mit ziemlich wirksamem Zeugs.«
    »Zum Beispiel mit dem dimensionalen Verschiebungszauber, mit dem er deine Schwertscheide belegt.«
    Brian runzelte die Stirn. »Das ist ein Wahrnehmungsschirm.«
    »Das hat er dir gesagt?« Kein Wahrnehmungsschirm bewirkte, dass ein Gegenstand verschwand. Das