Verlockend wie ein Dämon
während Brian grübelte, was er zur Entschärfung sagen könnte. Doch es war vergebene Liebesmüh. Wie üblich konnte Murdoch seinen großen, breiten Mund nicht halten.
»Du hast erst seit zehn Stunden das Kommando. Muss ein neuer Rekord sein, in so kurzer Zeit alles in Schutt und Asche zu legen.«
»Halt die Schnauze.«
Lass ihn, Brian. Bring ihn nicht um. Wechsel das Thema und sei nett.
»Emily schlägt sich ziemlich gut.«
»Aye, aber wie du siehst, ist sie emotional nicht sehr stabil. Es ist sehr schwer, sie dazu zu bringen, sich zu konzentrieren.«
»Hormone. Das wächst sich aus.«
»Hoffentlich eher früher als später.« Der große Schotte klopfte ihm auf die Schulter. »Ich geh dann mal wieder ins Haus. Du bist jetzt der Babysitter. Wenn dir die Verantwortung zu schwer wird – und das wird sie –, dann komm zu mir.«
Mit großen Schritten verließ er den Übungsplatz.
Was gut für ihn war, denn Brian hatte schon die Hand am Schwert.
[home]
10
D ie Mittagssonne floss durch das Fenster herein und tupfte grelle Glanzpunkte auf die orangefarbenen Fäden der Überdecke. Ersticktes Männerlachen, Gläsergeklirr und Schritte auf der Holzveranda drangen vom Garten herauf. Lena starrte auf das Foto von Heather und Amanda in ihrer Hand und verbiss sich die Tränen.
Nicht ein Wort von Kiyoko.
Der Stichtag, an dem sie sich mit Tariq hätte treffen sollen, war gestern gekommen und wieder gegangen, und das konnte nur eines bedeuten: Er war fort.
Der Schnappschuss war vor kaum zwei Jahren in ihrem Garten aufgenommen worden. Es war an einem besonders heißen Julinachmittag gewesen, die Mädchen lagen in ihren Shorts und Bikinitops in einer riesigen Hängematte, hatten die Sonnenbrillen auf der Stirn und kalte Gläser mit Eistee in der Hand. Heather sah so jung aus und Amanda so … lebendig.
»Atheborne hat den Grill angeworfen«, sagte Brian, als er ins Zimmer trat.
Lena warf das Foto in die Puzzleschachtel zurück und drückte den Deckel darauf. Etwas weniger hastig steckte sie die bunte Schachtel zurück in ihre Handtasche. Als sie aufsah, beobachtete Brian sie mit gerunzelter Stirn.
»Ein Foto«, sagte er langsam. »Von wem?«
»Von niemandem.«
Er kam zu ihr und zog die Schachtel wieder aus der Handtasche. Vorsichtig hielt er sie in der Hand, als wüsste er, wie wertvoll sie für Lena war. »Ein neueres Foto aus diesem Leben und nicht dem letzten, das dir etwas bedeutet, weil …?«
»Es ist nur ein Foto.«
Er drehte die Schachtel um, bewunderte jedes Detail und untersuchte alle Ecken und Öffnungsmöglichkeiten. »Nein. Die Bilder auf dem Kaminsims bei dir zu Hause sind von fremden Menschen. Dieses Foto hier ist etwas Besonderes. Sag mir, warum.«
»Nein.«
Er setzte sich neben sie aufs Bett, so nahe, dass sich ihre Schenkel berührten. Heute trug er einen leichten, graugrünen Anzug und eine silberweißgestreifte Krawatte. Als sie seine festen Beinmuskeln spürte und sein Parfüm roch, rieselte ihr ein Schauer den Rücken hinunter.
»Komm schon, Lena. Erzähl ein bisschen. Ich weiß, dass dein Vater britischer Archäologe war und deine Mom seine Haushälterin in Kairo. MacGregor hat es aus der Datenbank gefischt, bevor ihm der Zugriff gesperrt wurde.«
Darauf vertrauend, dass er nicht herausfinden würde, wie sich die Schachtel öffnen ließ, überließ sie sie ihm. »Dann habt ihr euch wohl auch zusammengereimt, dass ich unehelich geboren bin. Mein Vater war in England mit einer anderen Frau verheiratet.«
»Ach so?« Brian drückte auf einigen der Verzierungen, Diamanten und Kreise herum. Der Deckel blieb fest verschlossen. »Das spielt doch heute keine Rolle mehr.«
»1873 war das noch anders.«
Er sah ihr in die Augen. »Wurdest du deswegen schlecht behandelt?«
»Von den Ägyptern? Im Grunde nicht. Ich habe mir meinen eigenen Freundeskreis aufgebaut.« Diebe zumeist. Ein paar Mörder, ein Vergewaltiger … und Azim. Der süße, mutige Azim. »Die Engländer haben mich ignoriert.«
»Und wie passt das Foto dazu?«
»Gar nicht. Es ist nur ein Schnappschuss von meinen Nachbarinnen in L.A.« In ihren Worten schwang die trockene Einfallslosigkeit der Wahrheit mit, ohne jegliches Anzeichen von Emotion. Sie hatte sich sehr darum bemüht, dass es so klang.
Aber an Brian war diese Anstrengung vergeudet. Er hob eine Augenbraue. »Wirklich? Aha.«
»Gibt es einen Grund, warum du in mein Zimmer gekommen bist?«, fragte sie gereizt.
»Ja, ich habe Carlos abgelöst. Er sitzt nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher