Verlockendes Dunkel
seine Glieder nicht mehr reagierten und so taub wurden, als wäre er in einen zugefrorenen See gestürzt. Es gab nichts, um diesen eisigen Griff, der ihn umklammert hielt, zu brechen. Sein Gehirn schien sich von seinem Körper zu verabschieden. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, nicht mehr denken.
Oben schrie eine Frau, und ein Mann brüllte sie an. Dann hörte er das Krachen von zerbrechenden Möbeln.
Und er konnte absolut nichts tun.
Elisabeth wäre viel erfolgreicher gewesen, wenn sie Halbstiefel getragen hätte. Das Einzige, was sie mit ihren Slippern erreichte, als sie den Mann gegen das Schienbein trat, war, sich ihre eigenen Zehen anzustoßen und ihn noch wütender zu machen, als er es ohnehin schon war. Er stieß ihr den Lauf seiner Pistole an die Schläfe und beugte sich dann so dicht über ihr Gesicht, dass der Zwiebelgeruch seines Atems ihr fast die Sinne schwinden ließ. »Versuch das noch mal, und ich werde …«
Der Pistolenlauf war kalt, und trotzdem lief Schweiß zwischen ihren Schulterblättern hindurch und ihren Rücken hinunter. Der Stoff ihres Unterrocks klebte wie eine unangenehm feuchte zweite Haut an ihrem Körper. »Was werden Sie? Mich umbringen? Das glaube ich nicht.«
Elisabeth merkte, dass ihr Blick an den Essensresten zwischen seinen Zähnen hängen blieb. Die andere Möglichkeit wäre, zu ihm aufzuschauen und ihre Panik in seinen dunklen Augen widergespiegelt zu sehen. Sie wusste auch so schon, wie verängstigt sie aussah. Aber sie würde sich nicht beherrschen lassen von dieser lähmenden Angst, die ihr die Lunge zusammenpresste und den Magen verkrampfte.
Der Mann biss so hart die Zähne zusammen, dass sein Kiefer in Gefahr war zu zerbrechen, doch er steckte die Pistole in seine Jackentasche und lockerte seinen Griff ein wenig. »Du kannst von Glück sagen, dass ich ein Gentleman bin, du verdammtes Biest, denn sonst wäre dein Hirn längst überall im Raum verspritzt.« Seine Vorstellung vom Benehmen eines Gentlemans ließ jedoch sehr zu wünschen übrig, wie sein lüsternes Grinsen und seine umherschweifenden Finger Elisabeth verrieten.
Sie warf einen Blick auf Rogans regungslosen Körper und wünschte mit aller Macht, er würde sich erheben und ihr zu Hilfe kommen. Aber er blieb erschreckend leblos, und das Blut in seinem Haar war viel zu rot für ihren Geschmack. O Gott – und wenn sie ihn nun getötet hatte?
Der Knall eines Schusses beendete die momentane Pattsituation. Der Kopf des Mannes schoss hoch wie der eines Jagdhundes, der auf eine Fährte gestoßen war, und seiner abgelenkten Aufmerksamkeit wegen lockerte sich sein Griff um ihren Arm.
Jetzt oder nie!, dachte Elisabeth.
Mit einem Aufschrei riss sie sich los und sprang nach dem fallen gelassenen Schüreisen. Sie hatte es jedoch kaum berührt, als der Mann zu ihr herumfuhr, seine Augen sich für den Bruchteil einer Sekunde weiteten und sein Mund sich in tierischer Wut verzog. Sein erster Schlag schleuderte sie zu Boden.
Den zweiten fühlte sie schon nicht mehr.
Der verdammte Mistkerl bückte sich, um Brendans Messer aufzuheben, und beäugte es für einen Moment mit einem boshaften Lächeln auf seinen derben Zügen.
»Brendan Douglas, wie er leibt und lebt.« Er hielt ihm die Klinge an die Kehle und zog sie so quälend langsam an seinem Nacken entlang, dass der Schnitt wie Feuer brannte. »Máelodor wird ungeduldig. Er hat das Kopfgeld für dich in den letzten Monaten erhöht. Damit werden wir uns als feine Herren zur Ruhe setzen können.«
Brendan konnte schon beinahe fühlen, wie der Frost ihn überzog. Er starrte auf zu Augen, die hart wie Steine waren, und die Kälte legte sich um sein Herz und verlangsamte es. Jeder Schlag ließ Farben vor seinen Augen explodieren. Aber er würde nicht ohnmächtig werden. Diese Genugtuung würde er diesen Bastarden nicht geben.
Und er wollte im Moment auch nicht an Elisabeths Schicksal denken. Blinde Wut würde ihn nur schneller umbringen. Er brauchte eisige Klarheit – und das Eisige zumindest hatte er gut im Griff.
Das Messer bewegte sich wieder und schlitzte ihm diesmal eine Wange auf.
Na wunderbar! Warum musste er sich ausgerechnet von einem Mann erwischen lassen, der sich selbst als eine Art makabren Körperkünstler sah?
Eine Tür schlug oben zu, und er hörte wieder eine Frau schreien.
Zum Teufel mit dem Plan! Zum Teufel mit Miss Roseingrave und dem Stein! Elisabeth hatte nichts damit zu tun. Er hatte geschworen, für ihre Sicherheit zu sorgen. Wenn das
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