Verlockendes Dunkel
wütenden Schrei nicht auszustoßen, der ihm auf der Zunge lag.
Und dann brach die Hölle los. Das Schiff machte einen Satz, Brendans Fuß glitt auf der feuchten Treppe aus, und ein Kanonenschuss schleuderte Splitter und Trümmer durch die Gegend, als er ins Schlittern kam und in den dunklen Frachtraum rutschte.
»Warum?« Elisabeth drückte sich in die Ecke, so weit sie konnte. Als könnte sie durch pure Willenskraft durch den Boden des Frachtraumes verschwinden und sich von dem schäumenden Wasser unter dem Schiff davontreiben lassen.
Rogan, der mit zwischen den Knien verschränkten Händen auf einem umgedrehten Eimer saß, war deutlich anzusehen, wie Trotz und Reue in ihm kämpften.
»Es ist nicht meine Schuld«, jammerte er. »Ich wollte nicht, dass dir etwas geschieht. Ich wollte nur den Stein. Den Sh’vad Tual für Artus’ Wiedergeburt. Ich habe versucht, Sams und Croker umzustimmen und sie zu überreden, euch zurückzulassen.«
»Und was ist schiefgegangen? Warum entführt ihr uns noch, wenn ihr den Stein doch bereits habt?«
»Sie wollten nicht auf mich hören. Das Kopfgeld für Douglas ist dreimal so hoch wie das, was ein normaler Mensch in seinem ganzen Leben verdienen kann. Máelodor will Brendan haben, mit oder ohne Stein.«
»Und was ist mit mir?«
Rogan schüttelte den Kopf. »Dich haben sie zur Sicherheit mitgenommen. Falls Douglas etwas versucht, wirst du es sein, die leidet.«
Elisabeth schluckte. Irgendwie hatte sie das schon gewusst, aber es Rogan aussprechen zu hören verfestigte es nur zu einem Gewicht auf ihrer Brust, das sie lähmte und das Chaos ihrer Gedanken noch verstärkte. Sie hätte nichts lieber getan, als ihrer Verzweiflung nachzugeben und in Tränen auszubrechen, doch diese Genugtuung würde sie Rogan nicht verschaffen.
Deshalb nahm sie sich zusammen und hoffte, dass das Zittern ihrer Stimme nicht zu hören war, als sie ihn fragte: »Weißt du, wohin sie uns bringen?«
»Nach Cornwall. Wir werden morgen bei Tagesanbruch dort sein.«
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Schreie, polternde Schritte und gebrüllte Kommandos folgten, als eine weitere Explosion die Luft zerriss, die Elisabeth gegen die Wand schleuderte und Staub in ihre Augen trieb.
Rogan sprang auf. Jemand kam halb fallend, halb springend die Treppe herunter, gewann im letzten Moment das Gleichgewicht zurück und landete halbwegs aufrecht auf dem Boden. Dabei strahlte er eine beängstigende Wildheit und Aggressivität aus.
Brendan! Er war blutverschmiert, seine Augen suchten sie wie emporzüngelnde Flammen. Ein schmaler Schnitt zog sich über seinen linken Wangenknochen und endete an seinem Kinn. Eine zweite, ernstere Verletzung entstellte eine Seite seines Nackens.
»Lissa!«, rief er.
Eine weitere Kanone krachte, diesmal direkt über ihnen. Der Captain erwiderte das Feuer seiner Angreifer. Könnte es Helena sein? Könnte sie sie so schnell gefunden haben?
Das Schiff schien vor Anstrengung zu vibrieren, die Segel knallten in dem Sturm wie Schüsse, und der Frachtraum ächzte bedrohlich. Brendan nutzte die Ablenkung, um sich auf Rogan zu stürzen, der jedoch seine Waffe auf Brendans Brust richtete und ihn erschrocken innehalten ließ. »Bring mich um, und du verlierst deine beste Chance, Miss Elisabeths Sicherheit zu garantieren.«
»Wo ist der Stein?«, fragte Brendan in so eisigem, drohendem Ton, dass sogar Elisabeth ein Frösteln überlief. »Wo ist der verdammte Stein, Rogan? Sag mir, dass er sicher ist! Irgendwo in Helenas Haus!«
Rogan zuckte zusammen, gab aber trotzdem nicht nach, weil seine Überzeugung, für die richtige Sache zu kämpfen, offensichtlich größer war als seine Furcht. »Ich habe ihn.«
Elisabeth hätte nie gedacht, dass Brendan noch Furcht einflößender werden könnte, doch sie hatte sich geirrt. Etwas Blutdürstiges erschien in seinem Blick; etwas, das nichts Menschliches mehr hatte, als hätte der Magier in ihm die Herrschaft übernommen. Aber was sie sah, war kein schimmernder, unirdischer Glanz, sondern eine herzlose, unerbittliche Brutalität. Sie erinnerte Elisabeth an das Bild in Madame Aranas Spiegel, auf dem der Erbe von Kilronan beobachtete, wie das Böse sich entfesselte. Dies war ein Mann, der zu Mord und jeder Bosheit fähig war.
»Du verdammter Hurensohn – der Sh’vad Tual ist das Einzige, was Máelodor braucht, um das Grab zu öffnen und die Wiedererweckung zu vollenden!«
Rogans Blick huschte im flackernden Schein der Laterne hin und her, und die Waffe
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