Verlockendes Dunkel
hat ihm einen großen Teil seiner Lebensessenz genommen, und was der Magier übrig ließ, hat Douglas selbst zum Öffnen der Pforten zwischen den Welten aufgebraucht.«
Elisabeth nahm Brendans Hand in ihre. Seine Finger waren kalt und ihre Spitzen blau. Komisch – er trug einen Ring aus Silber und Perlen, der in dem eigenartigen Zwielicht auf der Lichtung sanft schimmerte. Elisabeth hatte den Ring noch nie gesehen. »Brendan? Kannst du mich hören?«
»Ich sterbe … aber ich bin nicht taub.« Sein Lächeln zerbrach ihr Herz in tausend Stücke.
Killer erhob sich abrupt und versteifte sich, als hätte ihn irgendetwas verärgert. »Wir haben noch eine Chance. Eine sehr geringe, doch einen Versuch ist sie wert.« Zu Brendan sagte er: »Halt durch! Das könnte wehtun.«
Dann bückte er sich und hob Brendan so mühelos auf, als wäre er ein Baby, um ihn über die Lichtung zu der Grabstätte hinüberzutragen, aus der weißes Licht und eine seltsam gläserne Melodie hervordrangen, als hätte der Wind eine Stimme erhalten.
»Warum hast du mich niedergeschlagen?«, fragte sie, hauptsächlich, um nicht denken zu müssen. Denken war im Moment nichts Gutes. Es würde nur zu unkontrollierbarem Weinen führen, und sie wollte auf keinen Fall, dass Brendans letztes Bild von ihr sie tränenüberströmt und jammernd zeigte. Nein. Nicht sein letztes Bild von ihr. Das würde ja bedeuten, dass er starb. Dass es keine Hoffnung mehr gab. Dass Máelodor gewonnen hatte.
»Wärst du bei Sinnen gewesen, hätte der Magier dein Bewusstsein gespürt und es angegriffen, wie er es bei Rogan tat«, erklärte Killer. »Ich ließ ihn glauben, ich hätte auf ihn geschossen. Magie wirkt bei mir nicht auf die gleiche Weise.«
Bevor Killer sich duckte, um unter dem schief stehenden Grabstein hindurchzugehen, der als Eingang diente, blickte er Elisabeth noch einmal prüfend in die Augen. »Kommst du mit?«
Sie erwiderte seinen fragenden Blick mit einem entschlossenen Nicken.
»Dann nimm Brendans Hand und lass sie nicht los! Das müsste dich zwischen den Welten festhalten.«
Ihr blieb keine Zeit, um Erklärungen zu verlangen, bevor er in das schwache weiße Licht trat, das seinem Gesicht und Körper die Farbe nahm und sie durch ein eigenartiges blausilbernes Leuchten ersetzte, das wie elektrische Energie über seine Haut und Kleider glitt. Schnell ergriff Elisabeth Brendans rechte Hand und drückte sie. Ihr war, als träte sie auf einen schmalen Felsvorsprung über einer tosenden See. Ein Dröhnen erfüllte ihre Ohren, und ihr Körper wurde geschüttelt von Strömungen aus Luft und Wasser, aufschießenden Flammen und knirschender Erde. Aber tapfer ging sie mit Killer über die Schwelle und betrat die Höhle.
Von außen war davon nicht mehr als eine schief liegende Granitplatte sichtbar gewesen, die auf einem kürzeren, stabileren Stein ruhte, und die Öffnung darunter war kaum groß genug, um einen erwachsenen Mann aufrecht stehen zu lassen.
Drinnen erweiterte sich die schmale Öffnung jedoch zu einer riesigen Kaverne, deren Wände von einem opalisierenden Feuer glimmten. Wasser lief durch Ritzen und Spalten in dem Felsgestein, bevor es in eine Marmorschale am Fuß der gegenüberliegenden Wand gelenkt wurde. In der Mitte der Höhle stand etwas Langes, Schmales, das wie ein Altar oder Sarkophag aussah. Seine Vorderseite war in kunstvolle geschnitzte Paneele aufgeteilt, die das Leben des verlorenen Königs von dessen Geburt in einer kornischen Festung bis zu seiner Niederlage durch seinen verräterischen Sohn wiedergaben. Auf dem Deckel war ein aus einem Fels herausragendes Schwert mit einem sich darum windenden Drachen dargestellt. Die Details waren so gut gelungen, dass man fast das Zucken des Schwanzes und das Glänzen des Stahls zu sehen glaubte.
Artus’ Grab. Die Ruhestätte des letzten großen Königs der Anderen . Eine zum Leben erwachte Fantasie.
Elisabeth blieb keine Zeit für ehrfürchtiges Staunen, bevor Schatten in den schimmernden, perlmuttfarbenen Wänden zum Vorschein kamen. Sie bewegten sich innerhalb des Felsens wie durch dickes, welliges Glas oder unter trübem Wasser gesehene Figuren. Während Elisabeth zusah, nahmen sie Formen an, um dann eine nach der anderen aus den Wänden herauszutreten und einen Kreis zu bilden. Neun grau gewandete Frauen, die silberne Diademe auf der Stirn trugen und alle so schön waren, dass es schon fast schmerzlich war, sie anzusehen. Elisabeth warf ihnen nur kurze, schnelle Blicke unter gesenkten
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