Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
nicht, Euch zu ermorden oder zu heiraten, Sir. Nichts von beidem.« Sie war stolz auf den knappen, sachlichen Ton ihrer Stimme. »Ich wünsche nur, Eure Verlobte zu werden.«
»Nur? Entschuldigt bitte, aber diese Entscheidung ist nicht leichtfertig zu treffen. Warum ausgerechnet ich, wenn Ihr die Frage erlaubt?«
Er hatte zumindest das gute Recht, diese Frage zu stellen. Sie faltete die Hände im Schoß und versuchte, eine Antwort zu formulieren, von der sie hoffte, dass sie für ihn Sinn ergab. Schließlich sagte sie leise: »Es gibt bereits Gerede unseretwegen, weshalb es durchaus glaubhaft wäre. Ich brauche außerdem die Hilfe eines wahren Gentlemans, und ich wusste nicht, an wen ich mich sonst hätte wenden können.«
Nun, er war zwar nicht unbedingt sicher, ob er als wahrer Gentleman durchging. Vor allem nicht, wenn er die lüsternen Gedanken bedachte, die ihm gerade durch den Kopf schossen. Aber Jonathan stellte zu seiner Überraschung fest, dass er durchaus geneigt war, der jungen Frau zuzuhören, die ihm gegenübersaß. »Fahrt fort.«
Ihr Zögern bezauberte ihn. Andererseits hatte bisher leider so ziemlich alles an ihr ihn bezaubert. Von den goldenen Löckchen ihres Haars, das sich an den Schläfen ringelte, vom züchtigen Ausschnitt ihres Kleids über ihren ach so verführerischen Brüsten, bis zu den Handschuhen, über denen sich die zarten Muskeln ihrer Oberarme anspannten … Jetzt biss sie sich zögernd auf die Unterlippe und blickte ihn unter dem dichten Vorhang ihrer vollen Wimpern an. »Ich will mich noch gar nicht vermählen«, erklärte sie so eindringlich, dass er ihr glaubte. »Und ich will auf keinen Fall nur deshalb heiraten, weil mein Vater entschieden hat, dass Lord Drury sein bevorzugter Schwiegersohn ist. Ich habe noch andere Gründe, doch ich habe mich einfach gefragt, ob Ihr vielleicht … Stimmen die Gerüchte, dass Ihr bereits im Herbst nach Amerika zurückzukehren gedenkt?«
Welche anderen Gründe konnte wohl eine unschuldige, junge Frau von neunzehn Jahren vorbringen, um eine Verlobung vorzutäuschen?
Das war sein erster Gedanke. Noch dazu ein ziemlich umtriebiger, denn er stellte auf einmal fest, dass er in einer Zwickmühle steckte. Einerseits wollte er ihrer Bitte entsprechen, sie aber zur gleichen Zeit entschieden ablehnen. Er wollte der Bitte allein deshalb schon entsprechen, weil sie ihn darum gebeten hatte und in ihrem blass orangefarbenen Kleid so verführerisch aussah. Er bezweifelte, ob ein Mann auf Gottes Erdboden in der Lage wäre, ihr zu widerstehen. Zugleich aber wollte er die Ehre ablehnen, weil er einen sechsten Sinn dafür hatte, dass ihm Gefahren drohten, wenn er sich einverstanden erklärte.
Ein Mann sollte immer auf seine Götter hören …
Natürlich hatte seine Tante damit recht. Ihre einfühlsame Seele hatte die Auffassung vertreten, es gebe eine höhere Macht, die allen Menschen diene und nicht nur jenen, die an die Beschränkungen einer straff organisierten Religion glaubten. Im Grunde war er darin ihrer Auffassung. Wenn die Menschen ihre Götter als ein Zeichen der Spiritualität deuten würden, wäre die Welt vermutlich ein besserer Ort, an dem mehr Toleranz herrschte.
Aber so einfach war es leider nicht, ermahnte ihn eine innere Stimme. Cecilys Familie würde vermutlich Anstoß daran nehmen, wenn sie ihn als den zukünftigen Schwiegersohn präsentierte. Das Thema wurde in seiner Gegenwart zwar peinlich vermieden, aber er wusste, dass Adelas Ankunft an seiner Seite hier in England für eine Menge Spekulationen sorgte und viel Missfallen erregte. Nicht dass es ihn kümmerte, was andere darüber dachten. Nichts könnte ihn dazu bewegen, die innige Beziehung zu seiner Tochter zu verraten. Aber er war immerhin so pragmatisch, die Sache realistisch zu sehen.
»Mein Plan sieht vor, so schnell wie möglich heimzufahren, sobald ich hier alles erledigt habe«, gab er vorsichtig zu. »Dort ist meine Heimat. Ich weiß, ich habe den Titel meines Vaters geerbt. Aber England ist nicht der Ort, wo ich aufgewachsen bin.«
»Warum eigentlich nicht?«
Diese direkte Frage überraschte ihn. Andererseits war sie wenigstens so sehr an ihm interessiert, dass sie die Frage stellte. Jonathan zuckte mit den Schultern. »Ich war noch keine zwei Jahre alt, als meine Mutter starb. Mein Vater wollte mich nicht von Kindermädchen, Gouvernanten und Lehrern aufziehen lassen. Er wollte außerdem, dass ich mein Erbe als das begreife, was es ist. Das wäre nie passiert, wenn ich
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