Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
könntest schon jetzt mein Kind in dir tragen, hatte Jonathan ihr zugeflüstert, nachdem sie sich ein zweites Mal geliebt hatten. Sie hatten in den Armen des anderen geruht und die angenehme Erschöpfung ausgekostet, die sie danach erfasst hatte. Diese völlig neue Erfahrung, die sie machen durfte, ließ sie vollkommen sprachlos zurück, und sie konnte gar nicht ausdrücken, was sie angesichts dieser Möglichkeit empfand.
Stattdessen hatte sie ihn sanft geküsst. Nicht so gierig wie bei ihrer früheren Vereinigung. Das war das Letzte, woran sie sich erinnerte, denn dann war sie schließlich in tiefen Schlaf gefallen.
Wie kühn von ihm zu glauben, dass ich ihn mit offenen Armen willkommen heiße , dachte sie, während sie aus dem Bett stieg und ein leises Stechen spürte, das als Beweis dafür dienen mochte, was sich zugetragen hatte. Sie suchte und fand ihren Morgenmantel. Just als sie den Gürtel festknotete, klopfte jemand an die Tür, und sie wirbelte herum.
Man konnte auch sagen, dass sie schuldbewusst zusammenzuckte.
Sah sie nicht auch schuldbewusst aus?, fragte Cecily sich. Sie wusste nicht, ob man ihr nicht sofort ansah, was passiert war. Sie fühlte sich jedenfalls nicht mehr wie das Mädchen, das noch am Vorabend ihr Schlafzimmer betreten hatte. Sie war verändert. Ihr ganzes Leben war nun anders, und das lag nicht nur daran, dass Jonathan ihren Körper sehr eindrücklich verführt hatte, sondern vielmehr daran, dass sie sich nicht mehr als Mädchen fühlte. Sie war jetzt eine Frau. Eine Frau, die liebte.
Natürlich musste dieser Augenblick ihr Leben von Grund auf verändern. Sie wusste das, nur hatte sie nicht erwartet, dass dieser Moment so … so …
Eleanor betrat leise ihr Gemach und schloss die Tür hinter sich. Heute Morgen sah ihre Schwester in dem weißen Kleid mit zarter, grüner Spitze sehr hübsch aus. Das dunkelgoldene Haar hatte sie im Nacken zu einem Knoten aufgesteckt, und ihre blauen Augen – die Augen, die Cecily aus irgendeinem Grund nicht von ihrem Vater geerbt hatte – waren direkt auf sie gerichtet. »Guten Morgen.«
Es war eine absurd normale Begrüßung. Ja, es war auch ein guter Morgen. Sogar ein herrlicher Morgen, und es störte sie überhaupt nicht, dass der Himmel bewölkt war. Der Nieselregen hatte wohl aufgehört. »Wie spät ist es?« Cecily schaute auf die Kaminuhr. Es handelte sich um ein schönes Stück, das ihre Großmutter ihr geschenkt hatte. Alt und angeblich aus dem Schloss von Versailles, verziert mit filigranen, vergoldeten Händen und winzigen Blüten, die auf das zarte Porzellangesicht der Figurine gemalt waren. Es war schon spät, erkannte sie. Viel später als sie sonst aufwachte. Noch nie hatte ein schlichtes, weißes Nachthemd, das über der Armlehne eines Stuhls hing, so viel Verdacht erregt.
Wie die weiße Flagge einer sich ergebenden Armee. Und ergeben hatte sie sich wohl in der vergangenen Nacht, wenn Unschuld als die Belohnung des Siegers durchgehen konnte.
»Ich will doch hoffen, dass Augustine sich nicht den Hals gebrochen hat, als er an der Hauswand nach unten gestiegen ist«, sagte Eleanor leise. Ihr Blick richtete sich auf das verfluchte Hemd, ehe sie sich einfach in einen Sessel setzte. »Ein netter Zug an ihm, so höflich zu sein. Es wäre überhaupt nicht gesellschaftsfähig, wenn man eines Morgens einen toten Earl im Garten liegen hat.«
Cecily erstarrte. Sie blickte ihre Schwester sprachlos an. Einen Moment lang erwog sie, lautstark zu leugnen, dass Jonathan bei ihr gewesen war. Aber dann erkannte sie, dass es vergebens wäre. Stattdessen atmete sie tief durch und fragte: »Woher weißt du es?«
»Ich konnte nicht schlafen.«
Da ihre Schwester in ihrem Schlafzimmer war und da sie offensichtlich unter ihrem Morgenmantel nichts trug und man sie zudem anscheinend gehört hatte, versuchte Cecily im ersten Moment, vor allem die Hitze zu ignorieren, die ihr in die Wangen stieg. Sie unternahm gar nicht erst den Versuch auszuweichen. »Ich hätte ihn nie als umsichtig bezeichnet«, sagte sie und lachte reumütig. »Aber ja, er kam und ging auf ziemlich verstohlene Weise. Zumindest habe ich das bis eben gedacht. Ich hoffe nur, du bist die Einzige, die von seinem Besuch weiß.«
»Ich konnte nicht schlafen und war auf dem Weg zu dir, um mich zu entschuldigen, weil ich so brüsk gewesen war. Sonst hätte ich nichts mitbekommen.« Eleanor faltete die Hände in ihrem Schoß. Sie schien von ihren verschränkten Fingern fasziniert zu sein. »Es
Weitere Kostenlose Bücher