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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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Verachtung.
    »Metze« , murmelte der Geist auf Deutsch, bevor seine Hand durch meine Kehle fuhr und zudrückte, als wollte er mich erwürgen. Ich spürte ein stärker als übliches Prickeln, aber ich zuckte nicht mit der Wimper. Wenn dieser Wichser dachte, er könnte mir mit so einem billigen Jahrmarktstrick Angst einjagen, würde er bei dem, was ich gleich aus dem Ärmel schütteln würde, mächtig Augen machen.
    »Heinrich Kramer?«, fragte ich, nur um mich zu vergewissern. Wenn er es nicht war … auch egal, er würde seine Tat bereuen, aber ich wollte wenigstens wissen, wem ich gleich in den Arsch treten würde.
    »Sprich mich mit Inquisitor an«, antwortete der Geist mit ausgeprägtem Akzent. Wenigstens sprach er Englisch; ich konnte kein Wort Deutsch.
    Ich schenkte ihm ein fieses Lächeln. »Weißt du noch, die Hexerei, die du angeblich ausrotten wolltest, als du noch am Leben warst? Ich bin randvoll davon.« Und damit schlitzte ich mir das Handgelenk an dem scharfkantigen Trümmerteil des Schreibtisches auf, das ich mir geschnappt hatte, sodass langsam das Blut aus der Wunde quoll, bevor sie wieder verheilte. Wollte ich ein gewöhnliches Geisterheer zu meiner Unterstützung herbeirufen, musste ich Tränen vergießen, aber mit Blut und einem gedanklichen Kommt-und-holt-ihn-euch-Jungs! ließen sich ganz andere Wesen anlocken, und all das dank der Kraft, die ich aus dem Blut von New Orleans’ berühmter Voodoo-Königin bezogen hatte. Kalte, brodelnde Macht schoss durch meinen Körper, setzte meine Nervenenden unter Strom und überflutete den Raum mit paranormaler Energie. Auch der Geist spürte es, das merkte ich. Sein höhnisches Grinsen wich einem Stirnrunzeln. Dexter quiekte und flüchtete hinkend aus dem Zimmer.
    Im nächsten Augenblick kamen Schatten aus dem Fußboden hervorgeschossen und stürzten sich mit all ihrem Grabeshunger auf den Geist. Nicht ihr Wissen um Beschwörungsformeln und Zaubertränke war es, das Marie Laveau in den Augen von Vampiren und Ghulen so furchteinflößend machte. Es war ihre Fähigkeit, die Restwesen herbeizurufen und ihrem Willen zu unterwerfen, genau, wie ich es gerade tat. Alle auf einmal begannen die Kreaturen, sich durch Kramers Körper zu bohren, sodass der Geist ein Heulen ausstieß, das ich in vollen Zügen genoss. Die Restwesen ernährten sich von Schmerz, und wie es sich anhörte, war der Inquisitor ein wahres Festmahl für sie. Ich wusste nicht, ob sie den Geist umbringen konnten, da er ja keinen festen Körper besaß, den sie irgendwann zum Bersten bringen konnten, aber ich war gewillt, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
    Meine Hoffnungsfreude war allerdings nur von kurzer Dauer. Ebenso plötzlich wie Kramer erschienen war, verschwand er auch wieder, sodass den Restwesen nichts Greifbareres mehr als Luft zur Verfügung stand, durch die sie ihre durchscheinenden, todbringend Leiber bohren konnten.
    »Komm zurück!«, brüllte ich.
    Nichts regte sich außer den Dutzenden von Restwesen, die sich nun mir zuwandten, alle mit der scheinbar gleichen Frage im nebelhaften Gesicht.
    Und jetzt?
    Verdammt, das hätte ich auch gern gewusst. »Auf ihn!«, versuchte ich es, aber sie schwankten bloß wie Schilf in starkem Wind, die Körper fest verankert in dem verwüsteten Zimmer.
    Klasse . Ich schauderte, als ich versuchte, die Mischung aus Gier und Kälte abzuschütteln, die die Restwesen immer in mir auslösten. Meine geheime Todesschwadron konnte Kramer nicht folgen, und ich hatte vergessen, ihn anzuweisen, sich nicht von der Stelle zu rühren, bevor ich sie ihm auf den Hals gehetzt hatte.
    »Wartet«, befahl ich den Restwesen. Vielleicht würde Kramer ja noch einmal angreifen. Ich bezweifelte es, aber man konnte ja hoffen, dass er dumm genug war.
    »Wie geht es Tyler?«, fragte ich Bones, während ich mir durch die Schreibtischtrümmer hindurch einen Weg zur gegenüberliegenden Zimmerecke bahnte.
    Bones erhob sich und trat beiseite, sodass ich Tyler sehen konnte, der sich auf dem Boden zusammengekrümmt hatte. Er hielt sich den Hals, doch zwischen seinen Fingern strömte kein Blut mehr hervor, und sein Atem kam keuchend, aber ungehindert.
    »Das wird wieder«, antwortete Bones. »Ist bloß ein bisschen traumatisiert.«
    »Ich war tot.« Tylers Stimme war nur ein Krächzen. »Ich habe ein helles Licht gesehen, gespürt, wie ich davonschwebte …«
    »Gar nichts hast du«, unterbrach ihn Bones. »Dein Herz hat nicht einmal aufgehört zu schlagen, obwohl dein Kehlkopf

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