Verlockung
nehmen wir noch etwas Leichteres“, sagte er.
„Du nimmst doch schon immer kleinere Sachen. Ursprünglich waren wir mal bei einem Tischtuch und schau mal wo wir jetzt gelandet sind.“ Ich hob den Fetzen hoch, der gerade mal so groß wie eine Briefmarke war.
Er ließ sich von meinem Gezeter überhaupt nicht aus dem Konzept bringen. Er zog ein weißes Blatt hervor, doch anstatt es vor mich hinzulegen, begann er es zu falten. Ich sah ihm überrascht zu und konnte nicht glauben, was er schließlich vor mich stellte: Ein weißer Schwan.
„Der ist ja hübsch“, sagte ich.
„Du darfst das nicht so verbissen sehen“, erklärte er, ohne auf meinen Ausruf einzugehen. Er deutete mit der Hand auf den Schwan und plötzlich schien er zum Leben zu erwachen. Er schüttelte sich und tatsächlich leuchteten kleine kristallene Perlen auf… Als würde er Wassertropfen aus seinem Gefieder schütteln, die in der Sonne strahlten. Mit sachten, anmutigen Bewegungen tanzte er in der Luft, als würde er auf einem glasklaren See schwimmen. Das Tier reckte den langen, schlanken Hals, schüttelte sich und streckte die wundervollen Flügel aus, um sich langsam in die Luft zu heben. Er zog seine Bahnen um mich herum, schlug immer wieder mit den Flügeln, bis er schließlich sanft auf meiner Hand landete.
„Das ist unglaublich“, wisperte ich ehrfurchtsvoll. Noch nie hatte ich so etwas Schönes gesehen. Es war unfassbar, dass sich dieses gefaltete Papier gerade noch wie ein echter Schwan bewegt hatte, denn nun saß er wieder steif und leblos auf meiner Hand.
„Versuch ihn schweben zu lassen.“
Ich betrachtete den Vogel und sprach die Formel in meinem Geist, doch vor meinen Augen flog er noch immer geschmeidig und so wundervoll durch den Raum. Wie ein echter Schwan, schlug er weiterhin mit den Flügeln und zog sacht durch die Luft. Ich wollte es so gerne noch einmal sehen. Plötzlich spürte ich etwas in meiner Hand. Ein Kitzeln, doch es wurde schwächer. Dafür war mir, als müsse mein Geist gerade Tonnen stemmen. Als ich auf meine Hand blickte, weiteten sich meine Augen vor Erstaunen: Der Vogel schwebte einige Zentimeter in der Luft.
„Gut“, sagte Night leise. Er bemerkte, wie ich zu zittern begann. „Lass ihn langsam auf deine Hand zurück.“
Seltsamerweise gelang es mir auf Anhieb ihn vorsichtig herabzulassen. Ungläubig sah ich den Papier Vogel an, dann Night.
„Siehst du, es hat geklappt.“
Ich hatte es geschafft!
„Danke!“, wisperte ich, während mir ein riesiger Stein vom Herzen fiel. Ich war so glücklich und ihm gleichzeitig so dankbar, dass ich es nicht in Worte fassen konnte, doch mein Blick sprach Bände.
„Das hast du wirklich gut gemacht“, lobte er mich und sah durch seine langen Wimpern, mit glühendem Blick zu mir hinüber. Ich blickte zu Boden, um nicht zu hyperventilieren, doch anscheinend war es dafür zu spät; mir war bereits schwindelig. Er streckte den Arm in Richtung Schwan aus. Er schien einen Zauber zu sprechen. Schließlich sah er mich an. „Wenn du willst, kannst du ihn behalten.“
Ich sah ihn ungläubig an. „Aber…“
Er legte ihn mir auf die Hand und plötzlich erwachte er erneut zum Leben.
Er lächelte nur. „Es ist kein wirklich tolles Geschenk, aber immerhin ist es weiß.“
Ich starrte noch immer auf meine Hand und den wunderschönen Schwan, der sich darin bewegte, als wäre er aus Fleisch und Blut. Doch da drangen Nights Worte endlich zu mir durch. Ein Geschenk… weiß…. Der White Day! Er schenkte mir diesen Schwan zum White Day! Mein Puls schoss sofort in die Höhe. Mein Mund wurde trocken und ich wusste nichts zu antworten. Das konnte doch nicht sein! Hatte ich das missverstanden?!
Er lächelte, als er meinen verblüfften Blick sah und erhob sich schließlich, denn die Stunde war bereits zu Ende. „Komm, lass uns gehen.“
Ich folgte ihm mit zitternden Knien und war unfähig auch nur einen Satz zu sprechen.
An der Treppe trennten sich schließlich unsere Wege.
„Bis dann“, sagte er, warf mir noch einmal dieses atemberaubend, schöne Lächeln zu und ging. Zitternd ließ ich mich an einer Wand sinken und saß eine Weile da, bis ich die Kontrolle über mich zurück erlangt hatte. Den Vogel hielt ich weiterhin schützend in meiner Hand. Es genügte ein Blick darauf und mir wurde warm ums Herz.
M ä nnerfang
Überall hingen Plakate aus, auf denen mitgeteilt wurde, dass jede „Grundlagen der Magie Klasse“ sich Gedanken darüber machen sollte, was sie zu
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