Verloren: House of Night 10 (German Edition)
Wiedersehen.« Dann drehte er sich um und trabte los, über die Straße und in den Haupteingang des Mayo hinein.
»Das wird die ätzendste Nacht seines Lebens«, murmelte Stark.
»Hallo? Tolle Untertreibung«, sagte Aphrodite. »Sein ganzes Leben ist ätzend.«
Dreiundzwanzig
Neferet
»Also, alte Frau, was ist da in deinem Blut, was es so ranzig macht, dass meine Kinder es nicht trinken können?«
Langsam drehte Sylvia Redbird den Kopf. Ihre Augen glitzerten wie Tau zwischen den Gittern aus Finsternis.
»Ihre Brut kann nicht von mir trinken, weil ich die Chance bekam, mich gegen sie zu wappnen.«
So heiser die Stimme der alten Frau war, noch immer lag eine Kraft darin, die Neferet ebenso überraschte wie ärgerte.
»Genau. Weil du ja etwas so Besonderes und der Liebling deiner Göttin bist. Aber halt«, sagte Neferet in gespieltem Schrecken. »Wenn du wirklich der Augenstern deiner Göttin bist, warum bist du dann hier und wirst von meinen Kindern gequält? Warum rettet deine Göttin dich nicht?«
»Ich würde mich nicht als besonders oder gar als Liebling meiner Göttin bezeichnen, Tsi Sgili. Hätten Sie mich gefragt, dann hätte ich gesagt, dass die Große Erdmutter mich schätzt. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Wenn die Große Erdmutter ein geschätztes Kind, das sie um Hilfe anfleht, so behandelt, solltest du dann nicht vielleicht in Erwägung ziehen, dir eine andere Göttin zu suchen?« Neferet nahm einen Schluck von ihrem mit Blut versetzten Wein. Sie hätte nicht sagen können, warum sie den Drang hatte, die Alte zu verspotten. Dass diese Qualen litt und ihr Tod nicht allzu fern war, hätte die Unsterbliche angemessen befriedigen sollen, aber dem war nicht so. Es verdross Neferet, dass Sylvia nicht schrie. Oder jammerte. Seit Kalona geflohen war, hatte sie gar aufgehört, vor Schmerz zu stöhnen. Jetzt war sie entweder stumm wie ein Fisch, oder sie sang.
Neferet hasste dieses verdammte Gesinge.
»Ich habe die Große Erdmutter nicht um Hilfe angefleht. Ich habe sie nur um ihren Segen gebeten, und den hat sie mir in reichem Maße gespendet.«
»Ihren Segen! Du sitzt in einem Käfig aus Finsternis, der dir einen langsamen und qualvollen Tod bereitet! Was bist du, eine katholische Heilige? Soll ich dich über Kopf an ein Kreuz nageln und dir den Kopf abschlagen?« Neferet lachte über ihren eigenen Scherz, aber selbst in ihren Ohren klang er hohl. Mir fehlt es an Verehrung und Anbetung! Um wahrhaft göttlich zu sein, brauche ich Anhänger!
»Sie haben die Lehrer umgebracht.«
Es war keine Frage, aber Neferet verspürte den Drang, ihr trotzdem zu antworten. »Selbstverständlich war ich das.«
»Warum?«
»Um Chaos zwischen Menschen und Vampyren zu säen natürlich.«
»Aber was haben Sie davon?«
Selbstsicher und ihrer Macht bewusst lächelte Neferet. »Chaos ist Vernichtung – Menschen, Vampyre, Kulturen, alles wird davon verschlungen. Und wer aus dieser Vernichtung als Sieger hervorgeht, beherrscht die Welt. Ich werde dieser Sieger sein.«
»Aber Sie hatten doch schon Macht. Sie waren Hohepriesterin des House of Night. Sie wurden von Ihrer Göttin geliebt. Warum haben Sie all das aufgegeben?«
Neferet verengte die Augen. »Macht ist nicht gleich Herrschaft. Was ist all die Macht deiner Großen Erdgöttin wert, wenn sie nicht einmal so etwas Geringes bewirken kann, wie zu verhindern, dass ich dir dein Leben nehme? Mir wurde schon vor langer Zeit bewusst, dass wahre Macht darin besteht, die Kontrolle zu haben.«
Sylvia schüttelte den Kopf. Endlich sah sie so müde aus, wie es schon längst angebracht gewesen wäre, und klang auch so. »Wahre Kontrolle können Sie über niemanden ausüben außer über sich selbst, Tsi Sgili. Es mag Ihnen anders scheinen, aber tatsächlich treffen wir alle unsere eigenen Entscheidungen.«
»Wirklich? Lass uns diese These einmal überprüfen. Ich nehme an, du würdest es vorziehen, zu leben.« Gespannt wartete Neferet auf Sylvias Antwort.
Sie kam als Flüstern. »Das würde ich.«
»Nun, ich glaube, dass ich die Kontrolle darüber habe, ob du lebst oder stirbst. Also lass uns sehen, wer die größere Macht hat.« Sie hob ihr Handgelenk und riss mit einer raschen, geübten Bewegung ihres Fingernagels die Ader auf, die dort dicht unter der Hautoberfläche pulsierte. »Diese Unterhaltung beginnt, mich zu langweilen.«
Während ihr Blut zu fließen begann, verfiel Neferet in einen Singsang.
»Trinkt, Kinder, meinen Zorn und werdet stärker,
die Fesseln
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