Verloren: House of Night 10 (German Edition)
Finsternis, die sich gegenseitig von den Kissen drängten und schubsten, um an ihre blutenden Handgelenke heranzukommen. Kaum löste sich ein Maul von ihrer Haut, da saugte sich schon das nächste fest. Aurox sah, wie sich ein angeschwollenes Tentakel auf den Käfig mit Grandma zuschlängelte und sich zu jenen gesellte, die bereits dabei waren, die Haut der alten Frau mit jenen peitschenden, rasiermesserscharfen Schnitten zu überziehen, von denen Kalona inzwischen wieder genesen war. Aurox wusste, Grandma würde diese Chance nicht bekommen.
Er trat vor Neferet hin und sank auf die Knie. »Priesterin! Ich bin zu dir zurückgekehrt.«
Sie hatte den Kopf zurückgeworfen. Beim Klang seiner Stimme hob sie ihn, sah Aurox mit zusammengekniffenen Augen an, als bräuchte sie einen Moment, um scharf zu sehen, dann weiteten sich ihre Augen. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die ihre träge Pose Lügen strafte, packte sie eine der blutsatten Ranken und schleuderte sie auf ihn. Das schlangenähnliche Wesen traf ihn mitten auf der Brust, riss sein Hemd auf und schnitt ihm in die Haut.
»Wo warst du so lange!«, fuhr Neferet ihn an.
Aurox zeigte keine Angst. »Vergebt mir, Priesterin! Ich hatte mich verirrt. Ich konnte den Weg zu Euch zurück nicht finden«, gab er die Ausrede wieder, von der ihm am wahrscheinlichsten schien, dass Neferet sie glauben würde.
Diese setzte sich auf, wischte die Tentakel sanft von ihren Armen und gab dabei leise beruhigende Schnalzgeräusche von sich, als wären es geliebte Kinder.
»Du hast meinen Befehl ignoriert. Ich musste mit Hilfe eines Opfers die Kontrolle über die Bestie erlangen, und selbst da hast du noch versagt.« Sie warf ein zweites Tentakel nach ihm. Es schnitt eine rote Linie in Aurox’ Bizeps.
Der Schmerz vervielfältigte sich. Die Bestie spürte ihn und begann, sich zu regen. Aurox schloss die Augen und rief sich den silbernen Kreis vor Augen, stellte sich vor, wie dieser ihn mit seinem schützenden Glanz umgab.
Widerwillig beruhigte sich die Bestie.
Gekräftigt öffnete Aurox die Augen und sagte flehend: »Ich wollte Eurem Befehl gehorchen! Doch der Kreis und die Todesbeschwörung haben mich versagen lassen. Priesterin, ich kann nicht beschreiben, welche Macht, welches Licht Thanatos zu sich rief. Die Bestie wurde davon beeinflusst. Ich konnte sie nicht hervorlocken!«
»Aber ich konnte es, doch selbst danach ist es dir nicht gelungen, Rephaim zu töten und den Kreis zu brechen.« Neferet bewarf ihn mit einem dritten Tentakel. Dieses schnitt ihm nicht nur in die Haut. Es schlang sich um seinen Hals und begann, von ihm zu trinken.
Aurox zeigte keine Regung, doch in ihm brüllte die Bestie auf – nur um sogleich vom kühlen Plätschern von Wasser und einem starken Windstoß erstickt zu werden.
»Das lag an Dragon Lankford. Er hat Rephaim beschützt.« Aurox hielt sehr still, während die Finsternis ausgiebig von ihm trank.
Verärgert schüttelte Neferet den Kopf. »Dragon hätte nicht dort sein sollen. Ich dachte, Anastasias Tod hätte ihn gebrochen. Leider habe ich mich geirrt.« Sie seufzte. »Aber ich verstehe nicht, warum es dir nicht einmal gelang, Rephaim zu töten, nachdem Dragon tot war.«
»Wie ich schon sagte, Priesterin. Der Zauber tat mir etwas Schreckliches an. Ich war nicht mehr ich selbst. Ich hatte keine Macht über die Bestie. Nachdem sie den Schwertmeister aufgespießt hatte, konnte ich sie nicht dazu zwingen, zu bleiben und ihr Werk zu beenden. Sie stürmte davon, und ich konnte sie nicht aufhalten. Erst heute kam ich endlich wieder zu Verstand, und sofort machte ich mich auf den Weg zu Euch.«
Neferet runzelte die Stirn. »Nun, da ist ja nicht sonderlich viel Verstand, zu dem du kommen musstest. Damit hätte ich wohl rechnen müssen. Opfer schwach – Gefäß schwachsinnig«, murmelte sie eher vor sich hin, als dass sie zu ihm gesprochen hätte. »Nun, alles in allem ist das Ergebnis nicht so schlecht«, wandte sie sich wieder an ihn. »Immerhin hast du Dragon Lankfords widerlich ehrenhaftem Leben ein Ende gemacht. Du hast zwar das Enthüllungsritual nicht unterbrochen, was dazu geführt hat, dass der Hohe Rat mich verstoßen hat, aber ich habe beschlossen, dass das kein allzu großes Unglück ist – nicht, solange mir die Menschen von Tulsa und mein eigenes kleines Grüppchen Vampyre zur Verfügung stehen.« Sie beugte sich vor und streckte Aurox ihre blutbeschmierte Hand hin. »Also vergebe ich dir.«
Aurox ergriff ihre Hand und neigte
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