Verloren: House of Night 10 (German Edition)
unterschätze dich nicht. Wenn du dich ein bisschen anstrengen würdest, könntest du garantiert auch gut in der Schule werden.«
»Okay, von dir ist das wahrscheinlich ein Riesenkompliment, aber ich glaube, mir reichen die anderen Arten von klug.« Damien lachte. Sie fuhr fort: »Ich gehe jetzt zum Scheiterhaufen. Vielleicht hilft es ja, wenn ich da rumhänge.«
»Dir oder den Kriegern?«
»Entweder oder. Sowohl als auch. Ich weiß es nicht.« Sie seufzte.
»Ich glaube, es wird euch allen helfen. Ich werde ein bisschen herumlaufen – überall sein, wie die Luft. Ich versuche, etwas von dem Finsteren, das noch an diesem Ort haftet, wegzublasen.«
»Du spürst es auch?«
Er nickte. »Ich spüre, dass die Energie hier nicht gut ist. Es ist zu viel Schlimmes in zu kurzer Zeit passiert.« Er betrachtete sie mit schiefgelegtem Kopf. »Übrigens, wenn ich darüber nachdenke, finde ich nicht, dass du den Ställen fernbleiben solltest. Feuer ist nicht schlecht. Du bist nicht schlecht. Und das weiß Lenobia. Erinnerst du dich nicht mehr, wie du die Hufeisen der Pferde aufgeheizt hast, damit wir durch den Eissturm reiten konnten?«
»Doch, ich erinnere mich.« Bei der Erinnerung wurde ihr ein bisschen leichter ums Herz.
»Also, geh zum Scheiterhaufen und hilf dort, aber schau auch in den Ställen vorbei. Erinnere alle daran, dass das Feuer nicht nur negativ konnotiert ist. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht.«
»Lass mich raten: Du meinst so was wie ›nicht nur mit schlechten Sachen verbunden‹?«
Damiens Grinsen wurde breiter. »Schau, ich hab dir doch gesagt, dass du gut in der Schule werden könntest. Konnotation ist ein wunderbares Wort: Mitbedeutung. Das, was in anderen Worten außer der eigentlichen Bedeutung noch mitschwingt.«
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte sie, aber sie musste auch lachen.
»Also, bis nachher bei den Ställen?«
»Ja. Bis nachher.«
Damien wollte schon davongehen, drehte sich dann aber noch mal um und nahm sie kurz, aber fest in den Arm. »Ich bin froh, dass du eine eigenständige Persönlichkeit geworden bist. Und wenn du einen Freund brauchst, bin ich immer für dich da.« Dann eilte er in Richtung Stallungen.
Shaunee blinzelte sich die Tränen aus den Augen, während sie seinem fedrigen Haarschopf nachsah, der wie von einem eigenen kleinen Wind gezaust wurde. »Feuer«, flüsterte sie, »schick Damien einen kleinen Funken mit. Er bemüht sich immer so sehr, andere Leute glücklich zu machen, dass er echt einen süßen Typen verdient hätte, der ihn glücklich macht.«
In besserer Stimmung als seit Wochen ging Shaunee in die Gegenrichtung davon. Langsamer und bedächtiger als Damien, aber nicht mehr von Furcht vor ihrem Ziel erfüllt. Nicht, dass sie sich auf den Scheiterhaufen freute – sie war nicht Erin, sie konnte Trauer und Schmerz nicht einfach ausschalten, indem sie ihre Gefühle tiefkühlte. Und weißt du was? Ich will innen gar nicht gefroren sein, selbst wenn es dann nicht mehr so wehtäte, beschloss sie im Stillen.
Shaunee rief sich zur Ruhe und schöpfte Kraft aus der steten Wärme ihres Elements. Danke, Nyx. Ich werde versuchen, ihm eine positive Konnotation zu geben, dachte sie gerade, da unterbrach die Stimme des Unsterblichen ihre Gedanken.
»Ich habe dir noch nicht gedankt.«
Shaunee sah auf. Nicht weit von der großen Nyxstatue vor dem Tempel der Schule stand Kalona. Er trug Jeans und eine Lederweste, die ganz ähnlich aussah wie die, die Dragon immer getragen hatte. Nur war seine viel größer und hatte hinten Schlitze, durch die seine schwarzen Schwingen ragten, die jetzt allerdings auf dem Rücken gefaltet waren. Es war auch kein gesticktes Abzeichen der Göttin darauf, aber so wie er Shaunee mit seinen Bernsteinaugen ansah, erschien alles andere sowieso nicht mehr wichtig. Er ist wirklich absolut übermenschlich faszinierend.
Aber sie schüttelte den Gedanken sofort ab und besann sich auf das, was er gesagt hatte. »Mir danken? Wofür?«
»Dass du mir dein Handy gegeben hast. Ohne es hätte Stevie Rae mich nicht anrufen können. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre Rephaim jetzt vielleicht tot.«
Shaunee spürte ihr Gesicht heiß werden. Plötzlich war sie wahnsinnig verlegen und zuckte mit den Schultern. »Na, Sie sind aber auch gekommen, als sie Sie angerufen hat. Sie hätten ja nicht abnehmen müssen und weiter ein beschissener Dad sein können.« Erst als sie es ausgesprochen hatte, begriff sie, was sie gerade gesagt hatte, und sie presste
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