Verloren: House of Night 10 (German Edition)
schwarze Schleife.
»Und welches Stück von Shakespeare wirst du durchnehmen?«, fragte sie ihn gerade.
Schau ihr ins Gesicht und konzentrier dich! »Shakespeare?«
Sie schenkte ihm einen Blick, der deutlich sagte, dass sie ihn für einen Idioten hielt – und er musste ihr zustimmen, denn nachdem es ihm gelungen war, sich von ihrem pinken BH mit Inhalt abzulenken, konnte er sich nicht an ihrem langen, dichten dunklen Haar sattsehen, das weich und wellig war und so aussah, als müsste es sich wie Seide anfühlen, wenn man –
»Ah ja, Shakespeare. Auf jeden Fall eine Komödie. Tragödien gibt’s um uns herum momentan mehr als genug.«
»Und welche?« Sie sah ehrlich interessiert aus.
Er hörte sich selbst zugeben: »Ich bin im Zwiespalt. Meine Lieblingskomödie ist Der Widerspenstigen Zähmung , aber wenn man genauer darüber nachdenkt und sich Kates letzten Monolog ansieht, passt sie nicht zu dem matriarchalischen Weltbild des House of Night, und das Letzte, was ich brauchen kann, ist, mich bei Thanatos unbeliebt zu machen. Deshalb tendiere ich zu Wie es euch gefällt. Rosalind ist eine der stärksten Frauenfiguren des großen Meisters. Damit komme ich bestimmt nicht mit der Schulleitung in Konflikt.«
»Gibst du da nicht irgendwie klein bei?«
»Vielleicht, aber Lehrer sein ist nicht so einfach, wie man denkt. Hinter den Kulissen läuft ’ne Menge Mist, ganz abgesehen davon, dass dieser ewige Kampf gegen die Finsternis kein Ende zu nehmen scheint, weswegen ständig Lehrer umkommen und gleichzeitig immer mehr Jungvampyre Gezeichnet werden, das heißt, wir haben Personalmangel.«
Es folgte eine lange, unbehagliche Stille. Dann sagte Shaylin: »Ja, muss echt nervig für dich sein, dass so viele Lehrer geköpft und aufgespießt und zerfleischt wurden. Ganz zu schweigen von all den roten Jungvampyren, die unterrichtet werden müssen, weil sie’s nicht geschafft haben, endgültig zu sterben. Noch nicht.«
Erik runzelte die Stirn. So hatte er das nicht gemeint. Nicht wirklich. »Ich glaube, das war ein bisschen missverständlich.«
»Und ich glaube, ich sollte mich daran erinnern, dass aus Erbsenbrei kein unberührter Südseestrand wird.«
»Wie bitte?« Diese Shaylin war unglaublich süß, aber sie brachte ihn ständig total aus dem Konzept.
»Nichts. Ich muss nur mal wieder aus meinen Tagträumen aufwachen. Danke, dass du mich geweckt hast.« Sie beschleunigte ihren Schritt, und während Erik sich immer noch den Kopf darüber zerbrach, wie ihr Erbsen-Südsee-Kommentar zu verstehen sei, erreichten sie den Fußweg vor dem Mädchentrakt.
»Ähm, gern geschehen?«, durchbrach er die Stille, als sie an der breiten Betontreppe vor der Eingangstür angekommen waren.
Shaylin war noch immer ein kleines Stück vor ihm. Als sie die unterste Stufe der Treppe betrat und sich zu ihm umdrehte, war sie fast auf Augenhöhe mit ihm, obwohl sie normalerweise so winzig war.
Sie seufzte. »Nein. Ich hab dir ja noch nicht mal gedankt. Ich musste mir nur gerade etwas in Erinnerung rufen.«
»Was?«, fragte er mit aufrichtigem Interesse.
Sie seufzte noch einmal. »Dass das, was man mit bloßem Auge sehen kann, nicht das Wichtigste an einer Person ist. Das Wichtigste ist das, was sich darunter verbirgt.«
»Nur dass es für dich nicht verborgen ist, oder?«
»Genau«, sagte sie leise.
»Ich hab das, was ich vorhin sagte, wirklich nicht so gemeint. Ich musste nur mal Luft ablassen. Das macht ihr Mädchen doch auch ständig.«
»Erik, du machst es nicht besser dadurch, dass du dich als misogyn outest.«
»Misogyn … das ist was Schlechtes, nicht wahr? Nicht cool wie Gynäkologe?«
»Erik, vielleicht solltest du am besten ganz den Mund halten.« Ihr Ton war verärgert, aber er konnte sehen, dass sie sich bemühen musste, das Lachen zurückzuhalten. Dann entschlüpfte ihren süßen rosa Lippen doch ein kleines Kichern. »Gynäkologe. Ich glaub’s nicht.«
»Was denn? Kannst mir ruhig glauben.« Er setzte seinen besten Okie-Dialekt auf. »’n Job, wo sich’s nur um die Privatsachen von Weibern dreht, das is mal echt ’ne feine Sache.«
Sie konnte nicht aufhören, zu kichern. »Okay, hör auf. Ich muss jetzt los, bevor –«
Sie machte einen Schritt rückwärts und verpasste total die nächste Stufe. Gleich würde sie auf ihren süßen knackigen Po fallen – aber mit Überlichtgeschwindigkeit, fast wie ein Superheld, bekam er sie an der Taille zu fassen und verhinderte, dass sie sich verletzte.
Und so standen
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