Verloren: House of Night 10 (German Edition)

mein ABC.« Sie sah Shaylin an, verzog hämisch das Gesicht, packte Dallas’ Hand, und die beiden verschwanden unter schallendem Gelächter.
    Erik starrte ihnen nach. »Wann hat denn das angefangen?«
    »Gleich nachdem Shaunee und Erin sich getrennt haben«, sagte Shaylin. »Und es ist genauso schlimm, wie Shaunee es befürchtet hat.«
    »Du bist nicht hergekommen, um etwas für Aphrodite zu holen, stimmt’s?«
    »Nö.«
    Da traf ihn die Erkenntnis. »Oh Mist! Erin hat die Seite gewechselt. Und das heißt, Dallas und seine Gang werden alles erfahren, was Zoeys Leute wissen!«
    »Sieht so aus. Ich muss Z und Stevie Rae sagen, dass Erin und Dallas wirklich zusammen sind.« Shaylin zögerte, dann fügte sie hinzu: »Danke, dass du mich verteidigt hast. Ich weiß, dass dir das bestimmt nicht leichtgefallen ist.«
    »Du hältst mich wirklich für ein Arschloch, oder?«
    Shaylin antwortete nicht sofort. Stattdessen musterte sie ihn eindringlich, als wüsste sie, wie viel ihm die Antwort bedeutete. Endlich sagte sie: »Ich glaube, du hast das Potential, mehr türkis als erbsengrün zu werden.«
    »Und das ist gut?«
    Sie lächelte. »Sogar noch besser als ein misogyner Gynäkologe.«
    Er lachte. »Gut. Hey, darf ich dich zum Bus begleiten?«
    »Nein, diesmal lieber nicht. Aber frag mich demnächst noch mal. Und nur fürs Protokoll: Wenn ich nein sage, dann meine ich auch nein, und wenn ich ja sage, dann meine ich ja.«
    »Das war mir vorher auch schon klar«, sagte er.
    »Gut. Dann schaffst du es nächstes Mal hoffentlich zu warten, bis ich ja sage, bevor du mich küsst. Bis demnächst, Erik.«
    Während Shaylin davonging, wurde Eriks Lächeln immer breiter. Es war nicht sein Tausend-Watt-Lächeln – jenes Lächeln war gespielte Fröhlichkeit. Es war ein anderes, besseres Lächeln – eines, dessen Fröhlichkeit er wirklich empfand . Und zum ersten Mal seit langer Zeit dachte Erik Night, dass es viel schöner war, zu empfinden als zu spielen …

Achtzehn
    Kalona
    »Die Wolken verziehen sich. Ich denke, das ist ein gutes Omen.« Kalonas Worte galten der Hohepriesterin des Todes, die vor dem Bus voller Vampyre und Jungvampyre stand, die noch immer nicht zu ihrem heimatlichem Bahnhof aufgebrochen waren.
    »Wenn Sie’s sagen. So, wir müssen jetzt echt die Kurve kratzen, bevor die Sonne kommt«, sagte Stevie Rae, »aber wir drücken Ihnen die Daumen so platt wie Stampfkartoffeln. Wenn Neferet wirklich Grandma Redbird hat, sind Sie genau der richtige Retter für sie!« Sie schenkte ihm ihr unschuldiges, fröhliches Lächeln, und sein Sohn winkte in frohem Einverständnis, dann schloss sich die Tür, und der Bus fuhr davon.
    Zoey hatte nichts zu ihm gesagt. Kein Wort. Sie hatte reglos im Bus gesessen, während alle anderen sich unterhielten, ihre Schulsachen packten und einer nach dem anderen einstiegen. Aber er hatte gespürt, wie ihre Augen ihm folgten. Er hatte ihr Misstrauen darin gespürt. Und ihre Hoffnung. Ich bin ihre einzige Chance, ihre Großmutter lebend zurückzubekommen , dachte er, während der gelbe Bus in der Utica Street verschwand. Sie hätte mir wenigstens Glück wünschen können.
    »Nyx, ich bitte dich, wache über meinen Krieger Kalona.«
    Beim Namen der Göttin zuckte Kalona zusammen und blickte Thanatos an. Die Hohepriesterin stand mit erhobenen Armen vor ihm, das Gesicht dem langsam heller werdenden Himmel zugewandt.
    »Indem er sich an mich, deine treue Hohepriesterin, gebunden hat, hat er seine Schritte auf deinen Weg gelenkt. Er ist mein Schwert – mein Schild – mein Beschützer. Und somit auch Beschützer des House of Night, für das mir die Verantwortung verliehen wurde.«
    Thanatos’ Stimme war mit Macht geschwängert. Als sie gegen Kalona brandete, erbebte er. Sie ruft Nyx an! Und Nyx erhört ihren Ruf! Mit angehaltenem Atem lauschte er weiter.
    »Daher flehe ich dich um Hilfe an, gütige Herrin der Nacht. Ich bitte dich, stärke ihn, falls die Finsternis mit ihren Ränken versucht, ihn zu Fall zu bringen. Lass das Licht seiner Entscheidung vor ihm leuchten wie Mondlicht in grauen Nebeln, lass die Festigkeit seiner Treue die Schatten teilen, die sich über seine Urteilsfähigkeit senken und seine Zielstrebigkeit wanken lassen mögen. Lass ihn, dessen Wahl dem Licht gilt, nicht der Finsternis anheimfallen.«
    Kalona ballte die Fäuste, damit sie nicht sah, dass seine Hände zu zittern begonnen hatten.
    Nyx manifestierte sich nicht, aber ihre lauschende Präsenz war fast greifbar. Er