Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Verdammt, er hatte einen Drink bitter nötig. Bis jetzt war dieser Tag eine einzige Qual gewesen – wenn seine Schwester es auch, Gott sei Dank, nicht bemerkt hatte.
Zees Hochzeitstag. Oft hatte er gedacht, diesen Tag nie zu erleben. Dann wieder hatte er angenommen, sie würde irgendwann eine Vernunftehe eingehen, gegründet auf Freundschaft, und zwar mit Gareth Lloyd. Doch dann war der Hochzeitstag tatsächlich gekommen, und es war nicht genug gewesen, dass Rothewell hatte zusehen müssen, wie seine Schwester vom Berkeley Square mit einem Mann fortgefahren war, der beinahe ein vollkommen Fremder für ihn war – und ein verdammt gut aussehender Fremder noch dazu. Und auch Gareth hatte es mitansehen müssen.
Xanthias Bräutigam, der Marquess of Nash, hatte die Neuigkeit über Gareth Lloyds gesellschaftlichen Aufstieg mit seiner gewohnt gleichmütigen Anmut zur Kenntnis genommen und ihn allen Hochzeitsgästen als »Duke of Warneham, einen lieben Freund der Familie« vorgestellt. Nash hatte es nicht böse gemeint, aber Rothewell fühlte mit Gareth, dem armen Teufel. Nashs direkte Worte würden die Gerüchteküche der Gesellschaft mit Sicherheit zum Brodeln bringen.
In diesem Moment wurde die Tür zu seinem Arbeitszimmer geöffnet, und Gareth trat ein. »Da bist du ja, alter Knabe«, begrüßte Rothewell ihn. »Ich habe mich gerade gefragt, wo du abgeblieben bist.«
»Ich war unten und habe Trammel geholfen, die überzähligen Stühle wegzutragen.«
»Ein Duke hilft dem Butler, Möbel zu rücken?«, bemerkte Rothewell nachdenklich. »Sag mir, warum mich das nicht überrascht.«
»Ein Mann ist nichts, wenn er nicht arbeitet«, entgegnete Gareth.
»Oh«, brummte Rothewell, »ein wahrhaft schrecklicher Gedanke. Willst du mir nicht bei einem Brandy Gesellschaft leisten?«
Gareth warf sich in einen von Rothewells großen Ledersesseln. »Nein, dafür ist es für mich noch zu früh am Tag«, lehnte er ab, zögerte dann aber. »Aber vielleicht nicht für den Duke of Warneham?«
Lachen wallte tief in Rothewells Brust auf. »Du bist und bleibst derselbe, alter Freund.«
»Dann ja, verdammt, schenk mir einen kleinen Schluck ein«, brummte Gareth. »Ich denke, wir beide haben uns ein Glas dafür verdient, diesen Tag überlebt zu haben.«
»Nun, du hast ihn übertroffen«, erwiderte Rothewell und ging zum Sideboard. »Den Marquess of Nash, meine ich. Du hast die Führung übernommen, Gareth, in eurem Wettstreit. Sehr beeindruckend.«
»Oh, ich habe solche Spiele schon vor Jahren aufgegeben.« Gareth’ Stimme klang plötzlich grimmig. »Außerdem haben wir heute Vormittag eine Hochzeit gefeiert, falls du dich noch daran erinnerst.«
»Nur zu gut.« Rothewell ließ den Brandy nachdenklich in dem Glas kreisen, bevor er es seinem Gast reichte. »Du hast das Objekt deiner Jugendschwärmerei verloren, Gareth, und ich – nun, ich mache mir da nichts vor –, ich habe eine Schwester verloren. Zweifellos denkst du, dass das nicht das Gleiche ist. Aber als du so allein warst wie wir drei – Luke, Zee und ich –, ohne jemanden, auf den man sich stützen konnte, hast auch du ein Band geschmiedet, das ähnlich einer Familienbande ist.«
Gareth schwieg für einen Moment. »Luke ist fort, aber du bist nie ohne Xanthia gewesen, nicht wahr?«
Rothewell schüttelte den Kopf. »Ich kann mich sogar noch an den Tag erinnern, an dem sie geboren wurde.« Seine Stimme wurde bei dem letzten Wort brüchig. »Ach, genug der rührseligen Gefühle für heute. Wie wird es für dich weitergehen, Gareth? Muss ich dich am Kragen packen und zu deinen Pflichten schleifen?«
»Ich vermute, du sprichst von der Herzogswürde.« Gareth klang emotionslos. »Nein, ich habe Zee versprochen, dass ich bis zu ihrer Rückkehr jeden Tag bei Neville Shipping sein werde. Ich werde weder dich noch sie im Stich lassen.«
»Ich habe nie gedacht, dass du das tun würdest«, murmelte Rothewell. »Seit dem Tag, an dem mein Bruder dich als Laufburschen eingestellt hat, haben wir uns alle auf dich verlassen. Aus diesem Grund sind wir ja auch die Partnerschaft mit dir bei Neville Shipping eingegangen – und natürlich um vorzubeugen, dass man dich abwirbt.«
Gareth lächelte schwach. »Ihr habt mir goldene Fesseln angelegt, nicht wahr?«
»Verdammt richtig.« Der Baron nahm noch einen Schluck Brandy, seine muskulöse Kehle arbeitete wie eine gut geölte Maschine. »Und jetzt hast du vor, dich an deinen Teil der Abmachung zu halten. Ich respektiere das. Doch auch,
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