Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
geliehenen Kutsche fahren, bei Gott.«
Rothewell durchquerte das Arbeitszimmer und drückte Gareth das Glas in die Hand. »Die Kutsche, wenn ich mich nicht sehr irre, gehört zum Gesellschaftsvermögen von Neville’s.«
»Einer Firma, deren Angestellter ich nicht länger bin«, fauchte Gareth.
»Aber deren stiller Teilhaber du immer sein wirst«, entgegnete Rothewell. »Ich bin sicher, auf dich wartet eine ganze Reihe feiner Kutschen auf Selsdon Court. Du kannst mir meine zurückschicken, wenn du dich dort eingerichtet hast.«
»Du wirst mir keine Ruhe lassen, nicht wahr, Rothewell?«
»Mir wurde sie auch nicht gelassen. Warum also sollte es dir besser gehen?« Mit spöttischem Ernst erhob der Baron sein Glas. »Auf Seine Gnaden, den Duke of Warneham. Möge er lange herrschen.«
Kapitel 3
I m Haus war es totenstill, der Geruch von frischem Brot und Kohl hing schwer in der Luft. Die Seile, die das Bett hielten, ächzten, als seine Mutter sich mühsam aufrichtete, Zentimeter um schmerzhaften Zentimeter. »Gabriel, tatellah , komm zu mir.«
Er kroch auf allen vieren auf das Bett und schmiegte sich wie ein Welpe an sie. Die Finger seiner Mutter fühlten sich kalt an, als sie ihm durchs Haar strich. »Gabriel, ein englischer Gentleman tut immer seine Pflicht«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Versprich mir ... versprich mir, dass du ein guter Junge sein wirst – ein englischer Gentleman. Wie dein Vater. Ja?«
Er nickte, sein Haar rieb sich an der Bettdecke. »Mama, wirst du sterben?«
»Nein, tatellah , nur meine menschliche Hülle«, flüsterte sie. »Die Liebe einer Mutter stirbt nie. Sie währt immer, Gabriel, über alle Zeit und über das Grab hinaus. Die Liebe einer Mutter kann niemals zerstört werden. Verstehst du das?«
Er verstand es nicht, nickte aber trotzdem. »Ich werde immer meine Pflicht tun, Mama«, schwor er. »Ich werde ein Gentleman sein. Ich verspreche es.«
Seine Mutter seufzte und sank zurück in den gnädigen Schlaf des Vergessens.
»Ich sage ja nur, dass mir das nicht sehr gerecht erscheint, Mylady.« Nellie fuhr mit der Bürste durch das lange blonde Haar ihrer Herrin. »Eine Frau sollte nicht aus ihrem eigenen Haus geworfen werden – und schon gar nicht eine Witwe.«
»Dies ist nicht mein Haus, Nellie«, entgegnete die Duchess mit fester Stimme. »Frauen besitzen keine Häuser. Männer entscheiden, wo sie leben.«
Nellie schnaubte verächtlich. »Meine Tante Margie hat ein eigenes Haus«, sagte sie. »Und auch eine Schänke. Und kein Mann wird sie daraus vertreiben, verlasst Euch darauf.«
Die Duchess schaute in den Spiegel und lächelte leicht. »Ich beneide deine Tante Margie. Sie hat eine Freiheit, die Frauen ... nun, die Frauen, die wie ich erzogen wurden, niemals erwarten können.«
»Adlige Frauen, meint Ihr«, sagte Nellie wissend. »Nein, Mylady, ich habe gesehen, wie einige Leute Eurer Gesellschaftsschicht leben, und ich verdiene mir lieber jeden Tag mein Brot im Schweiße meines Angesichts.«
»Du bist sehr klug, Nellie.«
Der Blick der Duchess fiel auf ihre Hände, die sie auf dem Schoß gefaltet hielt. Nellie arbeitete jetzt seit zehn Jahren für sie. Ihre fähigen Hände hatten begonnen ihr Alter zu zeigen, und ihre Stirn war beständig gefurcht. Wenn sie allein waren – was oft der Fall war –, benutzte die Zofe oft die früheren Namen oder Titel ihrer Herrin, manchmal auch eine Kombination aus beidem. Die Duchess hielt sich nicht damit auf, sie zu korrigieren. Sie hegte keine besondere Vorliebe für den hohen Rang, den das Schicksal ihr beschert hatte. Schon vor dieser Ehe hatte sie darauf gehofft, die Jahre ihrer Witwenschaft ruhig verleben zu können. Vielleicht würde ihr dieser Wunsch nun endlich erfüllt werden.
»Habt Ihr von Lord Swinburne Nachricht erhalten?« Nellie legte die Bürste zur Seite und suchte in einer Porzellanschale, die mit Haarnadeln gefüllt war, nach einer passenden.
»Ein Brief kam aus Paris.« Die Duchess versuchte fröhlich auszusehen. »Papa wird wieder Vater werden – und das schon sehr bald. Seine Hochzeitsreise ist offensichtlich so verlaufen, wie man sie sich wünscht.«
»Aber was ist mit Euch, Mylady?« Nellies Augen begegneten im Spiegel denen der Herzogin. »Könnt Ihr nicht zurück nach Hause? Greenfields ist groß – nicht so riesig wie dieses Haus hier, aber sicherlich doch groß genug?«
Die Duchess zögerte. »Penelope ist noch sehr jung und frisch verheiratet«, sagte sie. »Papa sagt, dass vielleicht –
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