Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Personal fehlte. Mrs. Musbury trug wieder eines ihrer üblichen grauen Serge-Kleider und schenkte den erschöpften Angestellten, die sich in ihrem Wohnzimmer versammelt hatten, Kaffee ein. Nellie Waters lief mit einem Mopp umher, wischte Wasserpfützen auf und ordnete die Haufen nasser Mäntel und Schuhe. Gareth ging zu Dr. Osborne, der im Wirtschaftsraum Edwards gebrochenen Finger versorgte.
Der Arzt sah Gareth flüchtig an. »Ich denke, wir sind ohne ernsthafte Verletzungen davongekommen«, sagte er. »Habt Ihr eine Vermutung, wer das getan haben könnte?«
Gareth schüttelte den Kopf. »Nein, bis jetzt noch nicht«, entgegnete er grimmig. »Aber ich werde es herausfinden – und dann möge Gott demjenigen gnädig sein.«
Am schmalen Arbeitstisch saß der Hausdiener, der ein wenig blass um die Nase war. Gareth legte ihm die Hand auf die Schulter. »Alles in Ordnung, Edwards?«
»Ja, Euer Gnaden. Es ist ein glatter Bruch. Es tut nicht weh. Nun ja, nicht sehr jedenfalls.«
Gareth lächelte müde. »Danke für Euren Einsatz heute Nacht«, sagte er. »Kehrt in Euer Bett zurück, Osborne, wenn das hier die schlimmste Verletzung ist. Ich danke Euch, dass Ihr so schnell gekommen seid.«
Nachdem er sich verabschiedet hatte, ging Gareth die Treppe hinauf, entkleidete sich in seinem Zimmer bis zur Taille und reinigte sich über der Waschschüssel vom schlimmsten Ruß und Schmutz. Er zwang sich, nicht mehr an das Feuer zu denken, konnte aber den starken, fast hoffnungslosen Ausdruck nicht vergessen, der heute Nacht in Antonias Augen gelegen hatte. Sie hatte Angst um ihn gehabt; so große Angst, dass sie ihre eigene Angst vor dem Gewitter verdrängt hatte und nach ihm gesehen hatte. Als er sich das Gesicht abtrocknete, fiel sein Blick auf sein Spiegelbild. Der Mann, der ihm entgegenschaute ... sah verändert aus. Sein Gesicht mit dem einen Tag alten Bart schien schmaler, der Blick härter geworden zu sein. Die wenigen Wochen auf Selsdon hatten ihn verändert und nicht auf eine Weise, die zu erwarten gewesen war.
Er fragte sich, wie sein Vater in diesem Alter wohl ausgesehen hatte. Wahrscheinlich waren sie sich ähnlich. Major Charles Ventnor war bei seinem Aufbruch nach Spanien sechsunddreißig Jahre alt gewesen, gehärtet durch Schlachten, aber ihrer auch müde. Gareth erinnerte sich, dass sein Vater hochgewachsen und breitschultrig gewesen war und goldblondes Haar wie er gehabt hatte. Sein Lachen hatte warm und tief geklungen, und seine Augen hatten vor Glück gestrahlt, wenn er seine Frau angesehen hatte. Das war alles. Gareth’ Erinnerung an seinen Vater war die eines Kindes und alles, was er hatte, um ihn für den Rest seines Lebens zu begleiten.
Er war überrascht festzustellen, dass er seinen Vater so stark vermisste. Aber vielleicht war gerade das in dieser Zeit verständlich. Würde er noch leben, so hätte Gareth ihn fragen können, wie es sich anfühlte, wenn ein gestandener, vernünftiger Mann sich in diesem Alter Hals über Kopf verliebte. Würde es vorübergehen? Oder schlimmer werden? Oder würde das Gefühl wachsen und sich zu etwas Wunderbarem und Allumfassenden entwickeln, so, wie es bei seinen Eltern der Fall gewesen war? Selbst Zeit und Trennung hatten ihre Liebe nicht schmälern, Religion und Klassenbewusstsein ihr nichts anhaben können.
Und plötzlich wusste Gareth, welchen Rat ihm sein Vater gegeben hätte: Folge der Liebe. Riskiere alles – Reue, Hoffnung, Glück – mit Antonia. Aber ihre Situation war nicht mit seiner zu vergleichen. Ihr war nie gestattet worden, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie hatte nie eine Wahl gehabt. Und solange der Tod ihres Mannes noch wie ein Schatten über ihr schwebte, würde sie auch weiterhin kaum eine haben.
Aber Warneham und ihr Vater waren jetzt Vergangenheit, und vielleicht war Antonia seine Zukunft, auch wenn er nicht sicher war, auf welche Weise. Ihre Worte hatten ihm Hoffnung gemacht, obwohl sie es nicht hätten tun sollen. Und jetzt brannte er vor Verlangen, sie zu sehen. Sie zu umarmen. Gareth legte das Handtuch zur Seite und ging in das Ankleidezimmer, um sich frische Kleider anzuziehen.
Als er an ihre Wohnzimmertür klopfte, öffnete Antonia sofort. Sie trug nur ihr Nachtgewand. »Gabriel!«, rief sie und stürzte sich in seine Arme. »Oh, ich bin so froh, dich zu sehen. Bist du unverletzt? Sind alle in Sicherheit?«
Er drückte einen Kuss in ihre warme Halsbeuge. »Alle sind wohlauf, Liebes. Wir haben Glück gehabt.«
»Nein, das war
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