Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Augen strahlten in einem rätselhaften Glanz. »Ihm war Lord Litting aus demselben Grund wichtig, aus dem ihm Lord Swinburne wichtig war«, sagte er. »Würde Warneham sich selbst bezichtigen, vierfacher Bigamist zu sein, dann würde die Angelegenheit sehr wahrscheinlich im Oberhaus landen.«
»Und das wäre eine ernsthafte Beschämung für Littings Familie gewesen.« Gareth bewegte unbehaglich die Schultern. Er hatte das Gefühl, als sei ihm sein Rock plötzlich zu eng geworden. Bei Gott, da gab es noch etwas. Etwas in seinem Unterbewusstsein regte sich.
Kemble blieb abrupt stehen und betastete wie ein Wahnsinniger seinen Hals. »Ach, du großer Gott«, stieß er auf einmal laut aus.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«, fragte Rothewell säuerlich.
»Ich glaube, mich hat gerade eben eine Mandelentzündung heimgesucht«, wimmerte Kemble. »Jemand muss Dr. Osborne holen!«
Fünfzehn Minuten später hatte sich Kemble auf Gareth’ rotes Ledersofa gebettet und erklärt, dass er zu krank sei, um Treppen steigen zu können. Es wurde nach einer Eukalyptussalbe geschickt, Nellie Waters bekam auf diese Weise Wind von der plötzlichen Krankheit und kümmerte sich von da an höchstpersönlich um Mr. Kemble. Da sie selbst die Krankheit bereits überstanden habe, so sagte sie, bestünde keine Gefahr der erneuten Ansteckung. Sie setzte sich neben das Sofa und nahm Kemble die Krawatte ab, bevor sie die Salbe auf seinen Hals auftrug und mit einem Elan einmassierte, als würde sie ein schwitzendes Pferd trocken reiben. Ihr Patient stöhnte und ächzte auf jede erdenkliche Art und Weise.
Gareth sah sich das Ganze mit einem gewissen Argwohn an, als Antonia das Zimmer betrat und eine Decke brachte. Dann dämmerte es ihm, was Kemble vorhatte.
»Oh, Mr. Kemble!«, rief Antonia und trat sofort zum Sofa. »Was für schreckliche Neuigkeiten. Ich dachte, wir hätten die Epidemie hinter uns.«
Nellie griff nach der Decke und scheuchte ihre Herrin vom Sofa zurück. »Zurück, und zwar alle«, befahl sie. »Wir haben es bei der Krankheit mit einer scheußlichen Sache zu tun.«
Gareth glaubte gern, dass es sich um eine scheußliche Sache handeln könnte, war sich aber fast sicher, dass sie nicht krankheitsbedingt war. Nur Momente später führte Coggins den Doktor herein. Osborne begrüßte alle gut gelaunt, und Nellie Waters räumte ihren Platz an Kembles Seite. Falls der Doktor es als seltsam empfand, seinen Patienten vor Publikum zu behandeln, verlor er darüber kein Wort.
»Ich dachte, ganz Selsdon hätte die Halsinfektion überstanden«, sagte Dr. Osborne mitfühlend, während er einen kleinen Holzspatel in Kembles Mund einführte. »Gut so, ja, aber dreht Euch noch ein bisschen zum Licht.«
»Unggkk«, sagte Kemble.
Osborne wandte sich an Gareth. »Ein plötzlicher Anfall, sagtet Ihr?«
Lord Rothewell hob ratlos die Hände. »Nun, in einer Minute war er noch wohlauf, und in der nächsten –«
»Unggkk«, meldete sich Kemble wieder.
Osborne zog den Spatel aus seinem Mund.
»Wenn ich jetzt darüber nachdenke, fühlte ich mich bereits gestern Nacht im Regen ein wenig krank«, sagte Kemble.
Osborne schaute zweifelnd. »Nun, es gibt keinen Abszess auf den Mandeln, wie man es erwarten würde«, stellte er fest. »Und Eure Schleimhäute sehen auch gut aus. Habt Ihr letzte Nacht vielleicht einfach zu viel Rauch geschluckt?«
Kemble schien der Gedanke zu gefallen. »Wahrscheinlich habt Ihr recht«, sagte er. »Nun, ich bin sehr beruhigt.« Er setzte sich auf und legte Dr. Osborne die Hand auf den Arm. »Ihr müsst mir verzeihen, Doktor. Ich sorge mich ungewöhnlich stark um meine Gesundheit – genau wie der arme Warneham. Fast schon ein wenig wahnhaft, könnte man sagen, nicht wahr?«
Osborne räusperte sich wichtigtuerisch. »Allerdings ist es wahr, dass der verstorbene Duke nicht bei bester Gesundheit war«, sagte er. »Ihn plagten eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme.«
»Und Ihr seid in der Tat ein erstaunlich guter Diagnostiker, nicht wahr, Dr. Osborne?«, sagte Kemble. »Ich kann mich glücklich schätzen, dass Ihr hergekommen seid und nach mir gesehen habt. Ihr habt mich wirklich beruhigt. Ich hörte, Ihr wart in der Lage, Warnehams ernstes Asthmaleiden nach nur«, er sah Mrs. Waters an, »drei kurzen Hustentagen zu diagnostizieren?«
Mrs. Waters nickte.
Osborne schaute unbehaglich drein. »Asthma kann sehr gefährlich sein, wenn es nicht behandelt wird.«
»Während eines Anfalls schnauft man und ringt nach
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