Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
über einem Stuhl, der Großteil hingegen lag auf seinem Bett. Kemble begrüßte ihn an der Tür zum Ankleidezimmer. Er trug Gareth’ Reitrock – sein Lieblingsstück – über dem Arm.
Nachdem Gareth einen argwöhnischen Blick daraufgeworfen hatte, ging er sofort zum Beistelltisch und schenkte ihnen beiden einen Brandy ein. »Wie lange könnt Ihr London den Rücken kehren, Kemble?«, fragte er, während er ihm ein Glas reichte.
»So lange, wie mich die Sache hier in Anspruch nehmen wird, und keinen Augenblick länger«, erwiderte Kemble und leerte unverzüglich sein Glas. »Ich verabscheue das Landleben. Und da ich seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr als Kammerdiener tätig –«
»Ihr wart tatsächlich Kammerdiener?«
Kemble sah ihn überrascht an. »Ihr denkt wohl, der Job macht sich im Vorbeigehen?«, fragte er mit einem verächtlichen Schnauben. »Das Dienen ist eine Wissenschaft, Lloyd. Die Fähigkeit eignet man sich nicht mal schnell in seiner Freizeit an.«
»Ich bin nur schockiert zu erfahren, dass nicht jede Eurer Karrieren zwielichtiger Natur ist«, entgegnete Gareth und grinste.
»Eine oder zwei vielleicht.« Kemble griff nach einem braunen Reitrock und schüttelte ihn kräftig aus. »Eure Garderobe ist übrigens nicht völlig hoffnungslos, Lloyd – ich bitte um Entschuldigung –, Euer Gnaden. Seltsam, dass ich einfach nicht mit dem neuen Titel zurechtkommen will.«
»Geht mir genauso«, murmelte Gareth.
»Diese Reitjacke hier zum Beispiel«, fuhr Kemble fort. »Der Schnitt ist großartig, der Stoff akzeptabel, die Farbe jedoch –« Er verstummte und betrachtete Gareth’ Haar. »Hm, vielleicht könnte es doch gehen. Ihr seid hochgewachsen, besitzt dieses blonde Adonis-Aussehen und seid dazu noch sonnengebräunt. Maurice sagt, dass Tabak den natürlichen Hautton aufhellt und –«
»Aber ich rauche nur selten«, unterbrach Gareth ihn.
Kemble bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Tabak ist eine Farbe, Euer Gnaden.«
»Ach, und ich hielt ihn lediglich für ein Laster.«
Kemble warf die Jacke auf den Kleiderstapel auf dem Bett. »Apropos Laster: Ich habe Euren arroganten Diener unter der Hintertreppe gesehen, als er eines der Küchenmädchen begrapscht hat.«
»Begrapscht?« In Gareth wallte Zorn auf. »Bei Gott, sie wird schon dazu bereit gewesen sein.«
»Ganz und gar nicht, denke ich eher«, spekulierte Kemble. »Mir gefällt sein Blick nicht.«
»Mir auch nicht.«
»Soll ich ihn loswerden?«
»Was denn, und mich damit um dieses Vergnügen bringen?«, entgegnete Gareth. »Ich werde nicht zulassen, dass der Bastard jemanden belästigt, der kleiner und schwächer ist als er. Findet heraus, was genau passiert ist.«
Kemble zog beide Augenbrauen hoch. »Du meine Güte, Ihr meint es wirklich ernst«, murmelte er. »Gebt mir wenigstens ein paar Tage Zeit, um das Vertrauen der anderen Dienstboten zu gewinnen, dann werde ich die Wahrheit herausfinden.«
»Tut das.« Gareth lehnte sich in seinem Sessel zurück und zwang sich zur Ruhe. »Kemble, sagt mir ehrlich, warum Ihr diesem Plan Xanthias zugestimmt habt?«, wechselte er das Thema. »Was genau hat sie zu Euch gesagt?«
»Lasst mich nachdenken.« Kemble legte einen Finger an die Wange. »Lady Nashs Befehle lauteten, dass ich zuerst Eure Garderobe ergänze zu einer, die eines Dukes würdig ist. Und zweitens, dass ich herausfinde, wer Euren garstigen Onkel getötet hat –«
»Cousin.«
»Wie auch immer.« Kemble machte eine wegwerfende Handbewegung. »Und drittens soll ich in Erfahrung bringen, ob die Duchess Eurer Aufmerksamkeit wert ist.«
»Ob sie was?«
»Eurer Aufmerksamkeit wert ist.«
»Xanthia unterstellt mir Dinge!«
»Das hat sie nicht, wenn ich das bemerken darf«, sagte Kemble. »Habt Ihr nicht den Brief noch einmal durchgelesen, den Ihr selbst geschrieben habt, oder habt Ihr ihn aus dem Jenseits bekommen und einfach in die Post gesteckt?«
»Natürlich weiß ich, was in dem Brief stand, verdammt noch mal«, brummte Gareth. »Und zwar kein Wort davon, dass ich von der Duchess betört sei.«
Kemble presste die Fingerspitzen auf seine Brust. »Betört?«, sagte er und riss dramatisch die Augen auf. »Meine Güte, das klingt ja faszinierend. Aber Aufmerksamkeit ist ein weitaus schlichteres Gefühl, Lloyd, und Eure Sorge um sie wurde in dem Brief ziemlich deutlich. Lasst mich nachdenken – ›ein reizendes, zartes Geschöpf, das sofort jedermanns Auge und Sympathie gefangen nimmt‹. Ich glaube, so habt Ihr Euch
Weitere Kostenlose Bücher