Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
gebildet, und Rothewell verbrachte den Rest des Abends damit, Mrs. Hamm anzustarren und Gareth’ Cognacflasche zu leeren.
Irgendwann war auch diese Tortur vorüber, und die Besucher waren gegangen. »Nun«, sagte Gareth, als Kemble ins Obergeschoss kam, um ihm beim Auskleiden behilflich zu sein, »nachdem ich heute Abend in der Kirche des heiligen Warneham gebetet habe, fühle ich mich wie geläutert, Ihr nicht auch?«
»Ihr werdet hier vor Langeweile noch umkommen, Euer Gnaden, wenn Ihr diese Sache mit Lady Liebreizend nicht bald regelt«, warnte Kemble ihn, während er Gareth aus dem Rock half. »Wenn Ihr bis zum Michaelistag kein Glück bei ihr habt, schlage ich vor, dass Ihr Euch schnellstens nach London zurückzieht und Selsdon der Verantwortung dieses Grobians von Verwalter überlasst.«
Es lag Gareth auf der Zunge, diesem impertinenten Teufel unter die Nase zu reiben, dass er sein Glück bei Lady Liebreizend längst gemacht hatte, aber er war weit davon entfernt, sicher zu sein, dass seine Beziehung zu Antonia als Glück beschrieben werden konnte. Als er sie heute Abend beim Kartenspielen beobachtet hatte, hatte es sich so angefühlt, als würde ihm das Herz mit einem stumpfen Federmesser aus dem Leib geschnitten werden. Sie hatte so ... wunderschön ausgesehen. War so lebendig gewesen. Auf ihren Wangen hatte eine zarte Röte gelegen, und bis das Gespräch auf ihren verstorbenen Mann gekommen war, hatte sie sich mit allen Gästen angeregt unterhalten. Zum ersten Mal seit Gareth’ Ankunft hatte sich Antonia wie eine glückliche Frau verhalten.
»Dinner am Montagabend«, knurrte er und schüttelte sich. »Ist es das, was der Gutsherr tun muss, um als am Wohlergehen seiner Nachbarn interessiert zu gelten?«
»Oh, das ist es also, worum es Euch geht?«
Gareth zuckte mit den Schultern. »Wie, zur Hölle, soll ich das denn wissen? Das Essen ist eine Tradition meines Cousins, nicht meine.«
Kemble trug den Gehrock ins Ankleidezimmer. »Ich habe viele Kunden und Freunde innerhalb des Adels, Euer Gnaden, und keiner von ihnen hält sich damit auf, ein Mal in der Woche mit dem Gemeindepfarrer zu Abend zu essen«, sagte er. »Ganz zu schweigen vom örtlichen Gutsherrn. Osborne ist wenigstens geistreich und interessant, aber –«
»Aber was?« Gareth folgte Kemble in das Ankleidezimmer und löste beim Gehen seine Krawatte. »Diese Abendessen sind eine grausam langweilige Angelegenheit. Wenn Ihr also eine Idee habt, wie ich um sie herumkomme, dann lasst hören.«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Kemble ernst. »Ich habe über Osborne nachgedacht.«
»Und zu was für einem Ergebnis seid Ihr gekommen?«
»Heute Abend beim Kaffee dachte ich, dass er Lady Liebreizend ein wenig zu lange und zu eingehend angesehen hat«, bemerkte er. »Sie wirkte ... nun, sie strahlte. Was meint Ihr, ist da etwas im Gange?«
Gareth fühlte sein Blut rauschen. »Osborne? Mit Antonia?«
Kemble zuckte mit den Schultern. »Seht mich nicht so an. Es war nur ein Gedanke.«
Aber die Wahrheit war, dass auch Gareth sich schon ähnliche Fragen gestellt hatte. Er dachte an die Szene im Salon an seinem ersten Abend auf Selsdon zurück. Der Doktor hatte Antonias Hände gehalten und – Gareth erinnerte sich genau – ihr in die Augen gesehen. Doch seitdem war nichts Seltsames mehr vorgefallen. »Ich denke, Ihr irrt Euch«, sagte er. »Er ist ihr Arzt, und sie ist –«
»– verrückt, so heißt es jedenfalls bei der Dienerschaft«, sagte Kemble und befreite Gareth von seiner Weste.
Gareth starrte ihn an. »Unterlasst solche Worte in meiner Gegenwart«, stieß er hervor. »Die nächste Person, die etwas in der Art erwähnt, werde ich rauswerfen – und Ihr seid von der Drohung nicht ausgenommen.«
Kemble sah ihn einen langen Moment an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Was denn, Ihr wollt mich in mein Geschäft nach London zurückschicken?«
Gareth hatte vergessen, dass Kemble vermutlich nur auf Selsdon war, weil er dazu gezwungen worden war. »Wie auch immer – sie ist nicht verrückt«, fauchte er. »Hat Osborne Euch neulich etwa etwas Gegenteiliges erzählt? Und was habt Ihr sonst noch von dem armen Teufel erfahren?«
»Da Ihr gerade davon sprecht – der Besuch war sehr interessant«, sagte Kemble nachdenklich. »Ich kann nicht sagen, ob er die Duchess für unschuldig hält oder sie beschützt, indem er einen Teil der Schuld auf sich nimmt.«
»Vielleicht beides?«, brummte Gareth.
Er fühlte sich plötzlich
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