Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
gehört.«
»Nun gut«, sagte Kemble, »die beiden schienen auch so langweilig wie Abwaschwasser zu sein. Aber lasst uns jetzt wieder auf die Gerüchte zurückkommen –«
»Guter Gott, Kemble, was habt Ihr in den ersten achtundvierzig Stunden Eures Aufenthalts hier bloß noch alles erfahren?« Gareth nahm vor dem Kamin Platz und trank die Hälfte seines Brandys.
»Ihr werdet staunen!«, kündigte Kemble an. »Nehmt nur diesen mürrischen Diener, Metcaff. Er verabscheut Euch übrigens, wusstet Ihr das?«
»Ja.« Gareth’ Blick wurde härter. »Was mich an etwas erinnert – was ist das für eine Sache mit seinen Fingern?«
»Oh, das!« Kemble schob die Hand in seine Tasche. »In der Spülküche gab es einen kleinen Unfall. Metcaff ist gegen meine Hand gelaufen, während ich das hier getragen habe.«
Gareth schaute auf Kembles Hand – und entdeckte ein massives Stück Messing mit vier Löchern für die Finger. Er hatte so etwas schon in der Hafengegend gesehen, besonders nach Einbruch der Dunkelheit, und wusste sofort, was geschehen war. »Gottverdammt!«, explodierte er und knallte sein Glas auf den Tisch. »Hat er sich wieder der Küchenhilfe aufgedrängt? Ich werde ihm den Rest seiner vorwitzigen Finger brechen.«
»Oh, dieses Mal ist es nicht so weit gekommen«, versicherte Kemble ihm. »Aber habt Ihr eine Ahnung, was Ihr getan haben könntet, um Mr. Metcaffs Zorn zu erregen?«
»Nein, verdammt noch mal«, fauchte Gareth. »Er hat mich schon verabscheut, bevor ich überhaupt auf Selsdon eintraf – vermutlich, weil ich Jude bin, wenn Ihr es denn unbedingt wissen wollt.«
Kemble zuckte mit den Schultern und verstaute den Schlagring wieder in seiner Hosentasche. »Richtig – aber nur zum Teil.«
Gareth sah ihn seltsam an. »Aha, und woraus speist sich der andere Teil seines Hasses?«
»Eifersucht«, sagte Kemble sachlich. »Metcaff ist der Bastard des alten Dukes.«
Gareth starrte ihn an. »Was Ihr nicht sagt.«
»Nun ja, eigentlich hat es Mrs. Musbury gesagt – aber es hat mich zwei Tage gekostet, es aus ihr herauszukitzeln. Der Duke hatte mit einer der Zofen ein Kind. Hat Eure Großmutter denn nie irgendwelche Gerüchte darüber gehört?«
Wieso, zum Teufel, wusste Kemble von seiner Großmutter? Gareth fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Niemand hier hat mit ihr geredet«, gestand er. »Für die Bewohner von Selsdon war sie mehr oder weniger eine Dienstbotin, die nach Knollwood abkommandiert worden war, um mir die Nase zu putzen und dafür zu sorgen, dass ich meinen Porridge esse, damit ihnen die Mühe erspart blieb.«
»Höchst unglücklich«, murmelte Kemble nachdenklich. »Aber das erklärt, dass sie vermutlich wirklich nichts von Mrs. Hamm wusste. Wahrscheinlich ist das auch alles erst später passiert.«
»Mrs. Hamm?«
»Der Duke hat sie verführt«, sagte Kemble.
»Er hat die Frau des Pfarrers verführt? Du lieber Gott, ist denn auf dieser Welt nichts mehr heilig?«
»Doch, das Gedenken an den Duke – nach dem, was diese Schleimerin Lady Ingham sagt.« Kemble lachte. »Mrs. Hamm scheint ihn in nicht ganz so respektvoller Erinnerung behalten zu haben.«
Gareth leerte sein Glas. »Das lässt einen sich unwillkürlich fragen, ob es nur eine Verführung oder vielleicht doch etwas Schlimmeres war.«
»Etwas Schlimmeres, vermute ich«, sagte Kemble ein wenig grimmig. »Aber in Anbetracht der Macht des Dukes konnte sie wohl nichts dagegen tun.«
»Niemand hätte ihr den Vorfall je geglaubt«, sagte Gareth. »Angefangen bei ihrem Mann – weil er sich so einen Skandal nicht leisten konnte.«
»Genau. Kurz nach dem Vorfall bekam der Pfarrer übrigens das neue Kirchendach, von dem er so begeistert berichtet hat«, fügte Kemble hinzu. » Quid pro quo – wie man so schön sagt, nicht wahr? Und diese bedauernswerte Frau war dazu verdammt, ein Mal in der Woche mit ihrem Vergewaltiger zu Abend zu essen, bis – nun, bis einer von ihnen sterben würde. Lustig, wie das Leben so spielt.«
»Großer Gott«, sagte Gareth angewidert, »ist denn das ganze Dorf bis ins Mark verdorben?«
»Das sind kleine Dörfer immer.« Kemble hielt sein Brandyglas gegen das Licht. »Sie sind ein Mikrokosmos der Gesellschaft, mit all den Ängsten und Sünden und der Gier, die mit ihr einhergehen – allerdings meiner Erfahrung nach zehn Mal schlimmer.«
»Ihr seid also gerade voll des guten Mutes?« Gareth ließ sich tiefer in seinen Sessel sinken. »Verratet mir noch eines – gab es heute Abend beim Dinner
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