Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Kemble das Schreiben zurück und setzte sich. »Niemand wollte nach dem Tod etwas davon hören.«
»Nun, schon damals war es ein Tod, den man hätte anzweifeln können.« Kemble verschränkte sorgsam die Hände und legte sie auf ein Knie. »Der neue Duke hat mich beauftragt, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Er hofft, dass zwei Augen mehr sehen.« Es war kein höflicher Plausch, den Kemble hier halten wollte, also kam er direkt zum Kern der Sache. »Mir wurde berichtet, dass Ihr am Morgen von Warnehams Tod vom örtlichen Constable nach Selsdon gerufen wurdet. Ihr habt den Leichnam untersucht, fandet Spuren, die vereinbar mit einer Kaliumnitratvergiftung waren, und befragtet den Arzt, der die Vermutung äußerte, der Duke habe eine zu hohe Dosis seines Asthmamedikaments eingenommen. Habe ich das richtig verstanden?«
»Wenn Ihr all das bereits wisst, warum werde ich dann erneut damit belästigt?«, fragte der Richter.
»Gut, dann also weiter«, sagte Kemble. »Warneham – der neue Duke – hat mir erzählt, dass Ihr und der Doktor verschiedener Meinung bezüglich der Annahme wart, ob Mord oder eine Überdosis die Todesursache gewesen ist. Es wurde eine Untersuchung durchgeführt und die Meinung des Arztes bestätigt?«
»Ja.«
Kemble dachte einen Moment nach. »Darf ich mich erkundigen, Mr. Laudrey, ob Ihr die beiden Gentlemen befragt habt, die am Vorabend des Todesfalles als Gäste auf Selsdon weilten? Es handelt sich um Sir Harold Hardell und Lord Litting.«
»Ich habe es versucht«, räumte Laudrey ein, »aber sie hatten Selsdon bereits früh am Morgen verlassen und wussten nichts vom Dahinscheiden des Dukes – so behaupteten sie jedenfalls später. Als Zweifel an der Todesursache aufkamen, bin ich nach London gefahren, um mit den beiden Gentlemen zu reden, aber erfuhr von ihnen nur den Fakt, dass sie am Abend mit dem Duke im Billardzimmer zusammengesessen und geraucht hatten.«
»Ja, das hörte ich ebenso«, murmelte Kemble. »Ich möchte Euch fragen, Mr. Laudrey, ob noch irgendetwas anderes Euren Verdacht bezüglich des Todes des Dukes erregt hat?«
Laudrey wurde nervös. »Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass die beiden Gentlemen aus London etwas verschwiegen«, sagte er ruhig. »Die Upper Classes nehmen zumeist große Mühen auf sich, um zu vermeiden, auch nur mit dem Hauch eines Skandals in Berührung zu kommen. Auch wenn das bedeutet, dass bei einem Todesfall Fragen unbeantwortet bleiben.«
»Vollkommen wahr!«, entgegnete Kemble. »Ihr denkt dabei an die Duchess, nicht wahr? In Lower Addington gehen noch immer Gerüchte um.«
»Jeder weiß, dass sie gegen ihren Willen verheiratet worden ist«, sagte der Richter. »Und wenn es vielleicht hier auch nicht so bekannt war wie in London, so musste man kein Arzt sein, um bemerken zu können, dass die Lady ihre sieben Sinne nicht ganz beieinander hatte.«
Den Ehemann tot auf dem Fußboden seines Schlafzimmers zu finden würde wohl selbst die stärksten Nerven angreifen, dachte Kemble, sprach diesen Gedanken aber nicht aus. Stattdessen beugte er sich etwas vor. »Wisst Ihr, was meine Aufmerksamkeit erregt hat, Mr. Laudrey?«, fragte er. »Die Tatsache, dass es auf Selsdon in zehn Jahren mindestens drei vorzeitige Tode gegeben hat. Und dabei gehe ich nicht einmal so weit zurück, auch das Ableben der ersten Duchess mitzuzählen. Woran ist sie eigentlich gestorben?«
»An gebrochenem Herzen, so erzählt man sich. Wegen ihrem kleinen Jungen, der gestorben ist«, erwiderte Laudrey emotionslos. »Aber der Bursche, der die Leichenöffnung vorgenommen hat, sagte, es sei nur ein entzündeter Blinddarm gewesen, der geplatzt ist und die arme Lady vergiftet hat.«
»Nun gut«, sagte Kemble, »das ist ziemlich eindeutig, nicht wahr?«
Widerstrebend räumte Laudrey ein, dass Kemble recht hatte.
»Und der zweiten Duchess«, murmelte Kemble, »widerfuhr auch so eine Tragödie! Erinnert Ihr Euch?«
Der Richter sah ihn geringschätzig an. »Ich denke, dass Ihr auch von ihrem Tod bereits wisst. Die junge Lady ist während der Jagd etwas unglücklich gestürzt.«
»Etwas unglücklich gestürzt?« Kemble hatte noch nie gehört, dass ein Sturz mit tödlichen Folgen so harmlos beschrieben worden war. »Wissen wir, wie dieser Sturz sich ereignet hat?«
»Mrs. Osborne sagte, das Pferd der Duchess habe vor einem Hindernis gescheut«, sagte er. »Die Arme war recht aufgeregt, weil sie die Jagdgesellschaft anführte.«
»Die zweite Duchess war ziemlich
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