Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
draufgängerisch, wie mir gesagt wurde«, sagte Kemble. »Sie war also keine gute Reiterin?«
»Sie ist in London aufgewachsen«, entgegnete Laudrey. »Mit ihrer Erfahrung eine Jagd auf dem Land mitzureiten, das ist schon ein ganz anderes Kaliber.«
»Richtig«, entgegnete Kemble. »Wie tragisch, dass sie auch das Kind dabei verloren hat.«
»Nun, dieser Teil der Geschichte hat mir nie ganz eingeleuchtet«, räumte Laudrey ein. »Aber schließlich bin ich auch kein Arzt, und eigentlich hatte ich mit dieser Sache auch gar nichts zu tun, weil allgemein von einem natürlichen Tod ausgegangen wurde.«
Kemble sträubten sich die Nackenhaare. »Wie bitte?«
Laudrey spreizte die Hände. »Meines Wissens hat sie das Kind erst einige Tage nach dem Sturz verloren. Die junge Duchess hielt Bettruhe ein, um ihre Verletzungen auszukurieren, als sich die Tragödie ereignete. Sie bekam Fieber – es hatte wohl etwas damit zu tun, dass diese Frauensachen bei ihr nicht so abliefen, wie sie sollten –, und daran ist sie dann gestorben.«
»Eine faszinierende Geschichte, Mr. Laudrey«, sagte Kemble. »Wer hat dann die Obduktion durchgeführt? Osborne?«
»Nein, nicht Osborne«, sagte Laudrey. »Er war noch nicht aus Oxford zurück. Ich glaube, es war Dr. Frith. Er stammte aus Widding, ist aber inzwischen verstorben.«
»War er ein guter Arzt?«
Laudrey nickte anerkennend. »Ein sehr guter.«
Kemble schaute Laudrey an und schützte Zurückhaltung vor. »Und Osborne? Ist er auch ein guter Arzt?«
Laudrey zögerte. »Schon«, sagte er dann, »aber er scheint eher dem gesellschaftlichen Ansehen als der Wissenschaft verpflichtet zu sein.«
Kemble sah den Mann mit neuer Achtung an. »Ihr meint, Osborne war stärker darauf bedacht, bezüglich der Tode das festzustellen, was die Familie Warneham festzustellen wünschte?«
»Das habe ich so nicht gesagt«, entgegnete Laudrey. »Aber offensichtlich ist er auf Warnehams Launen und Fantasien eingegangen. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Pülverchen, Pillen und Salben gesehen wie beim alten Duke.«
Da er die überquellende Medikamentenkiste mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte Kemble dem schlecht widersprechen. »Wie war sie, die zweite Duchess?«
Laudrey schüttelte den Kopf. »Ich verkehre nicht in diesen gesellschaftlichen Kreisen«, sagte er. »Aber ich habe nie gehört, dass schlecht über sie gesprochen wurde. Sie war sehr jung, und die Damen des Dorfes hatten einen ziemlichen Narren an ihr gefressen.«
»Eine vielleicht besonders?«, erkundigte sich Kemble.
Laudrey dachte über die Frage nach. »Nun, da war die Frau des Pfarrers.«
»Mrs. Hamm?«
Laudrey schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein, ich glaube, das war noch zurzeit des vorigen Pfarrers. Ihr Name ist mir entfallen. Und dann war da noch Mrs. Osborne. Außerdem Lady Ingham. Ihr Gatte hatte gerade North End Farm gekauft, und sie ist ein wenig – nun, pardon, wenn ich das sage, aber –«
»Sie ist eine gesellschaftliche Aufsteigerin«, ergänzte Kemble verständig. »Das habe ich schon bemerkt.«
Laudrey schien sich auf seinem Stuhl zu entspannen.
»Sagt mir eines, Mr. Laudrey, da Ihr ein Mann von Verstand zu sein scheint: Wie war die dritte Frau des Dukes?«
Laudrey machte ein trauriges Gesicht. »Oh, sie war ein stilles Mädchen und schrecklich nervös. Die Anforderungen, die an eine Duchess gestellt werden, waren zu hoch für sie.«
»Du meine Güte«, sagte Kemble, »das hört sich aber tragisch an.«
»Das Ganze war auch eine Tragödie«, bestätigte Laudrey nachdenklich. »Sie war die älteste Tochter von Lord Orleston, dessen Besitz südlich von hier liegt. Seine jüngeren Töchter waren bereits verheiratet, aber Lady Helen war keine Schönheit, und man munkelte bereits, sie würde die Arbeit für die Kirche und im Garten einer Ehe vorziehen.«
»Warum hat sie dann letztlich doch geheiratet?«
»Nun, Warneham hat um sie angehalten – weil es gerade passend war, habe ich immer gedacht«, sagte Laudrey und zuckte wieder mit den breiten Schultern. »Und wie der Duke hatte auch Lord Orleston keinen Sohn – alles, was er besaß, würde schließlich an einen Neffen fallen. Ich möchte meinen, er wünschte, dass das Mädchen ein sicheres Zuhause hätte, wenn er sterben würde – was inzwischen passiert ist. Aber auch seine Tochter ist inzwischen tot.«
»Es scheint, sie habe allzu häufigen Gebrauch von Laudanum gemacht«, sagte Kemble.
Laudreys Augen verengten sich. »Die Ärzte sind
Weitere Kostenlose Bücher