Verloren unter 100 Freunden
Laufe der Zeit von selbst, ganz gleich, ob das Kind zu dem Roboter spricht oder nicht. (Furbys haben kein Gehör und besitzen keine Sprachlernfähigkeit. 5 ) Aber bis zum achten Lebensjahr erliegen Kinder dieser Illusion und sind davon überzeugt, ihrem Furby das Sprechen beizubringen. Furbys sind lebendig genug, um die Hilfe der Kinder zu benötigen.
Kindern gefällt die Lehraufgabe. Von der ersten Begegnung an gibt sie ihnen das Gefühl, mit ihren Furbys etwas gemeinsam zu haben, und sie impliziert, dass Furbys sie im Laufe der Zeit besser verstehen
werden. »Früher konnte ich nicht sprechen«, sagt ein Sechsjähriger. »Jetzt schon. Deshalb weiß ich, was mein Furby durchmacht.« In der Spielgruppe mit den Furbys überbieten sich die Kinder in freudigem Konkurrenzgebaren: »Mein Furby spricht besser als deiner! Er kennt schon viel mehr Wörter.«
Ich habe verschiedene Studien durchgeführt, bei denen ich Schulkindern einen Furby mit nach Hause gab, oft verbunden mit der Bitte an die Kinder (und deren Eltern), ein »Furby-Tagebuch« zu führen. Bei der ersten Studie verlieh ich die Furbys für eine Zeitspanne von zwei Wochen. Das war eine schlechte Idee. Ich hatte nicht damit gerechnet, wie schwer es den Kindern fallen würde, sich am Ende dieser Zeit von ihren Furbys zu trennen. Oft – auch auf Bitte der Eltern – habe ich ihnen die Furbys dann noch etwas länger überlassen. Die Kinder hingen einfach zu sehr an dem Roboter, um ihn ohne weiteres wieder herzugeben. Auch die Angebote der Eltern, ihnen einen neuen Furby zu kaufen, konnten die Kinder nicht besänftigen. Stärker noch als bei den Tamagotchis hingen die Kinder an einem speziellen Furby, nämlich dem, dem sie sprechen beigebracht hatten, den sie großgezogen hatten.
In den drei Jahrzehnten, in denen ich die Beziehungen des Menschen mit Computern untersucht habe, habe ich oft die Metapher des Rorschach-Tests benutzt, also jenes Formdeutetests, den Psychologen als Projektionsfläche verwenden, auf der Menschen ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken können. Aber wenn Kinder mit sozialen Robotern wie den Furbys interagieren, bewegen sie sich von der Projektionspsychologie fort zur neuen Psychologie der Hinwendung. Sie versuchen den Roboter wie ein Haustier oder einen Menschen zu behandeln. Die neunjährige Leah gesteht: »Es fällt mir schwer, meinen Furby abzustellen, wenn er mit mir spricht.« Kinder begreifen schnell, dass sie genau hinhören müssen, was der Roboter ihnen erzählt, um das meiste aus ihm herauszuholen. Mit
einem Furby kann man kein einfaches projektives »So tun als ob«-Spiel spielen. Man muss fortwährend den »emotionalen« und »körperlichen« Zustand des Furbys einschätzen. Und die Kinder sind fest davon überzeugt, dass, wer seinen Furby am meisten liebt, auch derjenige ist, der am meisten zurückgeliebt wird.
Diese Gegenseitigkeit ist der entscheidende Unterschied zwischen den Furbys, die eine primitive Version eines sozialen Roboters darstellen, und traditionellen Spielpuppen. Wie wir gesehen haben, warten derartige Bezugsartefakte nicht darauf, dass Kinder sie »beleben«, wie sie es mit einer Puppe oder einem Teddybär tun. Sie präsentieren sich als bereits lebendig und bereit für eine Beziehung. Sie versprechen Gegenseitigkeit, weil sie, anders als gewöhnliche Puppen, nicht passiv sind. Sie sind fordernd. Sie gebärden sich als Geschöpfe mit eigenen Bedürfnissen und einem Willen. Sie bringen uns Liebesrituale bei, die sie gedeihen lassen. Jahrzehntelang haben Computer uns angehalten, mit ihnen zu denken ; heute fordern Computer und Roboter uns auf, für sie und mit ihnen zu fühlen .
In einer traditionellen Puppe sehen Kinder das, was sie von ihr brauchen oder wollen. Eine Achtjährige zum Beispiel, die sich schuldig fühlt, weil sie die beste Kristallkaraffe ihrer Mutter kaputtgemacht hat, könnte dafür ihre Barbiepuppe bestrafen. Sie könnte die Puppe aus dem Kaffeekränzchen herausnehmen und ihr Stubenarrest geben, der Puppe also antun, was ihr selbst vielleicht bevorsteht. Im Gegensatz dazu können Bezugsartefakte, die sich als eigenständige Geschöpfe präsentieren, nicht einfach für das eigene Fehlverhalten bestraft werden. Zwei achtjährige Mädchen erklären, worin für sie der Unterschied zwischen »normalen Puppen« und den Furby-Robotern besteht. Das erste Mädchen sagt: »Eine normale Puppe wie meine Madeleine – die kann ich zwar einschlafen lassen, aber ihre Augen sind offen angemalt,
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