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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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sich der Vorstellung vom Biologischen als etwas Mechanischem und vom Mechanischen als etwas Biologischem. Die achtjährige Pearl denkt, das Herausnehmen der Batterien lasse einen Furby sterben und der Tod eines Menschen sei so ähnlich, »wie wenn man einem Furby die Batterien rausnimmt«.
    Furbys fördern die Vorstellung, dass sie biologische Wesen seien: Jeder einzelne sieht einzigartig aus, hat ein einzigartig geflecktes Fell und einige der Bedürfnisse von lebendigen Geschöpfen. Zum Beispiel muss man einen Furby regelmäßig füttern, und zwar indem man ihm mit einem Finger die Zunge herunterdrückt. Wird ein Furby nicht gefüttert, wird er krank. Einen kranken Furby aufzupäppeln erfordert noch mehr Füttern. Kinder geben Furbys Fehlfunktionen die Namen echter Krankheiten. Es gibt also Furby-Krebs, Furby-Grippe und Furby-Kopfschmerzen.
    Jessica, acht, spielt mit der Vorstellung, dass sie und ihr Furby die gleichen »Körper-Sachen« hätten, zum Beispiel Kopfschmerzen. Sie hat einen Furby zu Hause; als ihre Schwester ihn am Fell zieht, ist Jessica besorgt: »Es tut echt weh, wenn mir jemand an den Haaren zieht, zum Beispiel wenn mir meine Mutter die Knoten rauskämmt. Deshalb glaube ich, dass es dem Furby auch wehtut.« Dann klopft sie sich auf den Bauch. »In meinem Bauchnabel steckt eine
Schraube«, sagt sie. »Wenn man sie rausdreht, kommt Blut raus.« Jessica glaubt, dass Menschen, genau wie Furbys, Batterien haben. »Es gibt das Herz, die Lunge und eine große Batterie innendrin.« Menschen unterscheiden sich von Robotern dadurch, dass ihre Batterie »ewig funktioniert, so wie die Sonne«. Wenn Kinder über einen Furby als Schwester oder Bruder sprechen, experimentieren sie mit der Vorstellung, dass auch sie selbst eine Maschine sein könnten. Ideen über den Menschen als Maschine oder über an Maschinen angeschlossene Menschen werden sofort im Klassenzimmer nachgespielt. 2 Auf seine eigene Art erzeugt der Furby eine bionische Sensibilität bei den Kindern. Es gibt ja auch Menschen mit Schrauben, Metallplatten, Chips und Nadeln im Körper. Der Empfänger eines Cochlea-Implantats beschrieb die vor kurzem erfolgte Operation als »Renovierung« seines Körpers. 3
    Wir haben Wilson kennen gelernt, der sich mit seinem Furby gleichermaßen als Maschine und als Geschöpf wohlfühlt. So wie er immer »die Maschine« im Innern des Furbys »hört«, so entdeckt er auch die Maschine in sich selbst. Während der Junge improvisierte Liebeslieder über den Roboter als seinen besten Freund singt, tut er so, als würde er mit einem Schraubenzieher am eigenen Körper herumhantieren, und sagt dabei: »Ich bin auch ein Furby.« Als Teilnehmer eines Zweitklässler-Projekts, bei dem ein kaputter Furby Schraube für Schraube auseinandergenommen und repariert wird, spielt Wilson mit der Vorstellung von der biologischen Natur des Furbys: »Ich hole ihm gleich sein Baby raus.« Und dann kommt seine eigene Maschinen-Natur ins Spiel: Wilson hält sich den Schraubenzieher an den Fußknöchel und sagt: »Ich schraube mir den Knöchel ab.«
    Wilson zählt gerne auf, was er und der Furby gemeinsam haben. Am wichtigsten ist für den Jungen, dass »wir beide gerne rülpsen«. Darin, so sagt er, »ist der Furby genau wie ich – ich rülpse für mein
Leben gern«. Wilson hält den Furby vor sich, berührt mit den Händen leicht den Bauch des Roboters und schaut ihm eindringlich in die Augen. Er rülpst kurz bevor oder gleich nachdem der Furby gerülpst hat, ganz ähnlich wie in der klassischen Verbrüderungsszene in E.T. zwischen dem Jungen Elliot und dem außerirdischen Besucher. Als Wilson sein Rülpsspiel beschreibt, sagt er anfangs, er würde den Furby zum Rülpsen bringen, aber am Ende meint er, der Furby würde ihn zum Rülpsen bringen. Wilson behagt die Vorstellung, dass er und sein Furby im Einklang sind, dass er mühelos vergessen kann, wo er selbst endet und der Furby beginnt. 4
    Was möchte Furby?
    Als Wilson auflistet, was er und sein Furby gemeinsam haben, gibt es den körperlichen Aspekt (das Rülpsen) und den des Verstandes. Wie viele andere Kinder auch hält er Furbys für »menschenartiger« als »normale« Haustiere, weil Furbys sprechen lernen könnten. In der Bedienungsanleitung werden Kinder wie folgt instruiert: »Ich (dein Furby) kann Englisch lernen, indem ich dir beim Sprechen zuhöre. Je mehr du mit mir sprichst, desto besser werde ich deine Sprache lernen.« In Wahrheit entwickelt das Furby-Englisch sich im

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