Verloren unter 100 Freunden
nein, es habe sich nicht anders angefühlt, aber »es ist seltsam. Es ist doch ein lebloses Objekt.« Sie verwendet den Begriff nicht, aber sie hatte offenkundig ein Erlebnis dicht am Unheimlichen, wie Freud es beschreibt – etwas ist einem seit langem vertraut, und gleichzeitig ist es sonderbar neu. Unheimliche Dinge treffen uns völlig unvorbereitet. Ednas Reaktion macht sie verlegen, und sie versucht davon Abstand zu nehmen.
Doch als Amy ihr wieder einen Keks anbietet, fordert Edna sie auf, leiser zu sprechen: »Schhh, das Baby schläft.« Edna weckt das schlafende Roboterbaby mit einem freudigen »Hallo! Fühlst du dich jetzt viel besser, voller Pepp?« Sie fragt die Maschine, ob sie in den Park gehen oder etwas essen wolle. Amy merkt an, dass sie Hunger habe und zu Mittag essen wolle. Edna hört nicht zu – sie ist mit dem Roboter beschäftigt.
An diesem Punkt fragen wir Edna, ob sie das My Real Baby als lebendiges Wesen empfinde. Sie antwortet mit einem entschiedenen Nein und erinnert uns, die Puppe sei »nur ein mechanisches Ding«. Als Antwort auf die Frage »Kann es Gefühle haben?«, sagt Edna: »Ich weiß nicht, wie ich das beantworten soll; es ist doch ein lebloser Gegenstand.« Aber im nächsten Moment wendet sie sich zum weinenden Roboterbaby um, tätschelt seine Wange und sagt: »Warum weinst du denn? Möchtest du dich aufsetzen?« Lächelnd sagt sie zu uns: »Es ist so lebensecht, so schön und süß.« Am Ende unseres Besuches wiederholt Edna noch einmal, dass sie keine Verbindung
zum My Real Baby empfinde, und gibt es zurück. Dann nimmt sie wieder ihre Rolle als Gails und Amys Gastgeberin ein und erwähnt den Roboter nicht mehr.
Die von mir untersuchten Fünftklässler sorgten sich, dass ihre Großeltern ihnen Roboter vorziehen könnten. Ednas Fall veranschaulicht diese Befürchtungen. Der Rhythmus des Zusammenseins mit dem Roboter scheint das Beste an der Sache zu sein, seine Fähigkeit, sich passiv zu verhalten und dann wieder überraschend Bedürfnisse zu äußern, die man stillen kann.
Vor zwanzig Jahren gingen die meisten Leute davon aus, dass Menschen einander die besten Gefährten seien und dass es immer so sein würde. Nun aber ist der soziale Roboter hinzugekommen. In meinem Labor schauen sich mehrere Studenten den Film vom Nachmittag mit Edna, Gail, Amy und dem Roboterbaby an. Sie bemerken, dass Edna, wenn der Roboter auf sie reagiert, in einen veränderten Zustand hinübergleitet – sie ist glücklich, noch einmal Momente ihrer Vergangenheit nachzuerleben und eine intensivere Wahrnehmung der Gegenwart zu empfinden.
Die Bedürfnisse des Roboterbabys scheinen Edna besser zu liegen als die ihrer Großenkelin. Das kleine Mädchen mag verschiedene Arten von Spielzeug, wechselt ständig seinen Essenswunsch und hatte kürzlich Geburtstag. Aber Edna hat den Geburtstag vergessen, und sie hat Schwierigkeiten, mit den verschiedenen Spielsachen umzugehen und sich die Essenswünsche des Mädchens zu merken. Das Roboterbaby gibt ihr das Gefühl, sich auf sicherem Terrain zu befinden, wo sie die Dinge richtig hinbekommt.
Meine Studenten haben Verständnis für alte Damen. Warum sollten Menschen sich nicht mit dem Wesen beschäftigen – egal ob Mensch oder nicht Mensch –, das ihnen am meisten Wohlbefinden verschafft? Eine Studentin sagt: »Wenn Edna sich über alle Maßen an einer schönen Katze erfreut hätte … so erfreut hätte, dass sie deshalb
Amy ignorierte, dann wären wir amüsiert und würden ihr vielleicht nahelegen, die Katze doch lieber in den Garten zu setzen, während Besuch im Haus ist, aber es würde uns nicht sonderlich beunruhigen. Das Schockierende ist, dass es ein Gegenstand ist und eben kein Haustier, den sie einer Person vorzieht. Aber eigentlich ist es doch dasselbe.« Die meisten der Studenten sehen es so, dass schon die nächste Menschheitsgeneration sich an ein breites Spektrum von Beziehungen gewöhnt haben wird: Beziehungen mit Haustieren, mit Menschen, mit Avataren, mit computergenerierten Bildschirmwesen und mit Robotern. Sich einen Roboter zuzulegen wird nur eine von vielen Optionen sein. Sicher werden wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass Großenkel und Urgroßenkel zu hibbelig sind, um den Senioren die optimale Gesellschaft zu sein.
Ich glaube, Andy würde sich lieber mit einem Menschen als mit einem Roboter unterhalten, aber er bekommt einfach nicht genug Besuch. Es scheint jedoch offenkundig, dass Edna und Jonathan sich lieber einem Roboter
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