Verloren unter 100 Freunden
benutzen. Aber eine Maschine »liebenswert« zu machen hat moralische Implikationen. »Es führt zu verschiedenen sekundären Konsequenzen für zwischenmenschliche Beziehungen (zum Beispiel in puncto Vertrauen, bleibende Freundschaft und so weiter).« 21 Für mich sind diese sekundären Konsequenzen der eigentliche Kern des Ganzen. Eine angenehm zu handhabende Maschine zu bauen, ist eine Sache. Ihr ein einnehmendes Wesen einzubauen ist etwas ganz anderes. Doch genau das ist eine der Richtungen, in die sich die affektive Computerarbeit (und die soziale Robotik) entwickeln.
Computerwissenschaftler, die in diesen Bereichen arbeiten, möchten Maschinen bauen, die die Affektivität des Benutzers wecken und selbst affektive Zustände zeigen. Am MIT schreibt Rosalind Picard, die den Begriff »affektive Computerarbeit« entwickelt hat: »Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass, wenn wir intelligente Computer haben möchten, die sich uns anpassen und ganz natürlich mit uns interagieren, diese Computer Emotionen erkennen und selbst welche zeigen können müssen, und sie müssen das besitzen, was man seit einiger Zeit als ›emotionale Intelligenz‹ bezeichnet.« 22 Hier verschwimmt die Trennlinie zwischen Computern, die Emotionen haben und Computern, die nur so tun, als ob sie Emotionen besäßen. Für Marvin Minsky unterscheiden sich Emotionen tatsächlich »nicht so sehr von dem Vorgang, den wir ›Denken‹ nennen«. 23 In diesem Punkt teilt er Antonio Damasios Ansichten, aber er ist anderer Meinung in Bezug darauf, wo sie uns hinführen könnten. Minsky glaubt, dass Roboter emotionale, denkende Maschinen sein werden. Damasio glaubt, dass Roboter dies nicht sein können, solange sie keinen Körper mit den gleichen Eigenschaften und Problemen lebendiger Körper besitzen.
In der Praxis meiden Forscher, die im Bereich affektiver Computerarbeit tätig sind, das Wort »Emotion«. Von »emotionalen Computern« zu sprechen weckt stets starke Einwände. Wie sollten Computer diese Emotionen denn bekommen? »Affektiv« klingt weniger verfänglich. Maschinen ein bisschen affektiv zu machen, damit man sie leichter handhaben kann, klingt nach gesundem Menschenverstand, mehr nach einer Schnittstellen-Strategie für den Benutzer als nach einer philosophischen Haltung. Aber zu den Synonymen für »affektiv« zählen »emotional«, »gefühlsmäßig«, »mental« und seelisch«, um nur einige zu nennen. 24 »Affektiv« verliert diese Bedeutungen, wenn man im Computerzusammenhang davon spricht. Das Wort »Intelligenz« durchlief eine ähnliche Bedeutungsverminderung, als wir begannen, von ihr im Zusammenhang mit Maschinen zu sprechen. Intelligenz war einst eine dichte, vielschichtige, hochkomplexe Eigenschaft. Sie beinhaltete Intuition und gesunden Menschenverstand. Aber als man anfing, Computer als intelligent zu bezeichnen, wandelte sich der Begriff Intelligenz zu etwas Eindimensionalem, strikt Kognitivem.
Lindman spricht von ihrer Arbeit mit Domo und Mertz als einem Beitrag für die affektive Computerarbeit. Sie ist überzeugt, dass Domo ein bestimmtes Maß an emotionaler Intelligenz benötigt. Da sie ihm nicht einprogrammiert wurde, sagt sie, sie habe sie selbst hinzufügen müssen, als sie die Bewegungen des Roboters nachspielte. Aber Lindman davon erzählen zu hören, wie sie der Beziehung von Domo und Edsinger Sehnsucht und Zärtlichkeit »hinzufügen« musste, ruft bei mir eine andere Reaktion hervor. Vielleicht ist es ja gut, dass Lindman Emotionen »hinzufügen« musste. Denn es zeigt deutlich, was am Menschen einzigartig ist.
Durch die Augen des Roboters
Domo und Mertz sind fortschrittliche Roboter. Aber wir wissen, dass der Wunsch nach Verschmelzung, nach Zweisamkeit, schon von viel simpleren Modellen geweckt wird. Erinnern wir uns an John Lester, den Computerwissenschaftler, der seinen AIBO gleichzeitig als Maschine und Geschöpf betrachtet. Lester geht davon aus, dass Roboter den Lauf der menschlichen Evolution verändern werden. 25 In der Zukunft, so sagt er während unseres Gesprächs über AIBO, würden wir uns nicht nur am Gebrauch unserer Werkzeuge erfreuen, sondern »wir werden sie liebhaben. Sie werden uns zeigen, wie wir sie behandeln sollen, wie wir mit ihnen leben können. Wir werden uns dahin entwickeln, unsere Werkzeuge zu lieben, und unsere Werkzeuge werden sich dahin entwickeln, liebenswert zu sein.«
Wie Lindman und Edsinger sieht auch Lester eine Welt von Objekt-Geschöpfen voraus, die von unseren
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