Verloren unter 100 Freunden
wir gegenwärtig in Maschinen einzubauen versuchen. Im Jahr 2008 hielt ich bei einer Software-Firma eine Rede vor einem technisch versierten Publikum, und eine Gruppe von Designern verkündete, dass der Mensch der Zukunft ganz und gar nicht mit einzelnen Robotern interagieren werde – dies werde eine alte, überkommene Fantasie sein. Was wir gegenwärtig von Robotern
wollen, so sagen sie, werden wir zunehmend in unsere Räume einbetten. Diese intellektuell und emotional »lebendigen« Räume werden mit uns zusammenarbeiten. Sie werden unsere Sprache und Gestik verstehen. Sie werden Sinn für Humor haben. Sie werden unsere Bedürfnisse spüren und uns Wohlbehagen spenden. Unsere Räume werden unsere Freunde und Gefährten sein.
Roboter und wir: Es wird ernst
Die Geschichte von Robotern, der Verschmelzung mit ihnen und von Momenten des »Mehr« führt zu zahlreichen philosophischen und psychologischen Diskussionen. Inzwischen aber, wo der Mensch sich an die Vorstellung von Robotern im Alltag gewöhnt hat, werden diese Diskussionen ziemlich konkret, denn sie behandeln konkrete Situationen und die Frage, inwiefern ein Roboter dabei helfen könnte.
Tony, ein Highschool-Lehrer, ist gerade fünfzig geworden. Im Lauf der letzten Jahre hat sein Leben eine neue Phase erreicht. Seine drei Kinder sind auf dem College. Seine Eltern sind tot. Er und seine Frau Betty streiten ständig mit ihrer Mutter Natasha, vierundachtzig, die sich von einem Schlaganfall erholt und erste Alzheimersymptome zeigt. Natasha war schon als jüngere, gesunde Frau ein schwieriger Mensch. Nun ist sie ungeduldig, fordernd und launisch. Ständig macht sie ihrer Tochter und dem Schwiegersohn Vorhaltungen; wenn die beiden ihr zu helfen versuchen, ist ihr nichts gut genug. Tony ist erschöpft und sucht nach einem Ausweg. Mit einiger Sorge überlegen er und seine Frau, ob sie Natasha zu sich nach Hause holen sollen. Aber sie sind berufstätig, deshalb bräuchte Natasha einen Pfleger, der sich tagsüber um sie kümmert. Tony hat von Robotern gehört, die für die Kinder-Aufsicht und Altenpflege
entwickelt wurden. Es ist eine neue Überlegung, und Tonys erste Gedanken dazu sind positiv.
»Wenn ich vor der Wahl stünde, ob ich mir einen Roboter ins Haus hole oder irgendeinen Einwanderer, also die Art von Person, die für die Altenpflege zur Verfügung steht, dann würde ich den Roboter wählen. Es ist, als würde man Business Class fliegen und seinen eigenen Spielfilm haben. Man kann den Roboter nach seinen persönlichen Vorlieben einstellen. Er wäre nie frech, wäre kein Analphabet und würde nicht klauen. Der Roboter wäre eine sichere Sache, eigens für seine Aufgaben konzipiert. Und er wäre auf Natashas Bedürfnisse zugeschnitten. Das gefällt mir. Wegen ihrer Alzheimer-Erkrankung schrumpft Natashas Welt. Ein auf Alzheimer eingestellter Roboter, der irgendwie messen könnte, wie es meiner Schwiegermutter am jeweiligen Tag geht und sie darauf basierend stimuliert – das wäre großartig.«
Aber Tony hat auch Bedenken:
»Andererseits bin ich mir doch nicht so sicher. Ich weiß nicht, ob ich im Alter von einem Roboter gepflegt werden wollte. Ich weiß nicht, ob ich nicht lieber tot wäre, als von einem Roboter am Leben gehalten zu werden. Die menschliche Berührung ist so wichtig. Selbst wenn Leute an Alzheimer erkrankt sind, selbst wenn sie bewusstlos sind, im Koma liegen, bekommen sie doch, wie ich gelesen habe, eine Menge mit. Ich glaube, ich würde Natasha doch lieber in der Obhut eines Menschen sehen. Ich würde mich am Ende lieber von einem Menschen betreuen lassen. Sonst wäre es doch wie bei diesem Experiment, wo Affen von Frotteetüchern und Drahtgestellen ersetzt wurden, und die Affenbabys haben sich dann an die Frottee-Affen geklammert statt an ihre echten Mamas. Davon habe ich im College
gehört und fand es sehr traurig. Nein, man braucht einen Menschen um sich, um seine Menschenwürde zu bewahren. Ohne Würde sind wir wie Kühe an der Melkmaschine. Oder als ob unser Leben ein Fließband wäre, an dessen Ende der Roboter wartet.«
Tony ist klar, dass er sich widerspricht: Der Roboter ist ein spezialisierter Helfer, der auf ein gewisses Maß an körperlichen Beeinträchtigungen eingehen kann, und er ist ein Frottee-Draht-Affe. Tony versucht sich über seinen Standpunkt klar zu werden.
»Ich schätze, ein Roboter wäre akzeptabel, solange Natasha noch halbwegs klar im Kopf ist. Sie kann mit dem Roboter umgehen und weiß, dass es eine
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