Verlorene Eier
Autor bei der Beschreibung auf seine eigenen Erfahrungen im Schützengraben während des Ersten Weltkriegs zurückgegriffen.«
»Cool.«
»Die Schlacht an der Somme, an der Tolkien teilnehmen musste, war eine der blutigsten der gesamten Geschichte der Menschheit.« Arthur scheint zutiefst beeindruckt zu sein. »Es heißt, dass es mehr als anderthalb Millionen Opfer gab.«
»Wahnsinn.«
Innerhalb kürzester Zeit ist Gerald zu Lawrence Olivier geworden, der Die Welt im Krieg in der BBC spricht. »Allein am ersten Tag verloren mehr als 19.000 britische Soldaten ihr Leben. Dies war der blutigste Tag in der Geschichte der britischen Armee.« Er hat sein Publikum genau dort, wo er es haben wollte. Arthur lauscht ihm wie gebannt.
Amber umschließt meine Hände und drückt sie. »Wünschen Sie mir Glück, Angela.«
»Ich bin sicher, das werden Sie gar nicht brauchen, Amber. Amüsieren Sie sich gut. Und machen Sie sich keine Sorgen um Arthur.« (Diesen kleinen Satansbraten.) »Ihm wird nichts passieren, solange ich und Ger… äh, William, hier sind.«
Und ich habe völlig recht. Arthur zeigt sich weder beeindruckt, als seine Mutter sich verabschiedet, noch als ich mich fünf Minuten später ebenfalls aus dem Staub mache. Stattdessen lauscht er völlig fasziniert Geralds Schilderung der grauenhaften Ereignisse in den französischen Schützengräben. Ich hatte ja keine Ahnung, dass mein Agent ein derartiger Experte für diesen Teil der europäischen Geschichte ist.
»Stört es euch, wenn ich in mein Zimmer gehe und mich eine Weile hinlege?«, frage ich und lege mir dramatisch die Hand an die Stirn.
Gerald beißt sich auf die Unterlippe. »Stört es uns, Arthur?«
Arthur wirft mir einen vernichtenden Blick zu. »Und wie. Buh-huhu.«
19
Ich sehe sie auf den ersten Blick. Sie sitzt an der Bar und hat, soweit ich erkennen kann, einen Jack Daniel’s auf Eis vor sich. Selbst als ich auf sie zugehe, entgeht mir nicht, wie die anderen Männer sie anstarren, diese bildschöne junge Frau, die auf ihre Verabredung wartet.
Die Twilight Bar ist ein gehobenes Etablissement, das mir wegen der Beschreibung »herrliche, von Kerzenschein erleuchtete Cocktail-Lounge« in den Gelben Seiten aufgefallen war – ich kann nur hoffen, dass eventuelle Make-up-Spuren, die ich beim Abschminken übersehen haben sollte, im schummrigen Licht nicht auffallen.
Ich trage meine besten Jeans, ein Polo-Shirt und eine halbwegs anständige Jacke. Es ist ein herrliches Gefühl, sich wieder einmal als Mann in der Öffentlichkeit aufhalten und … wie ein Affe an den Tischen und Stühlen vorbeigehen zu dürfen. Zumindest fühlt es sich nach all den Stunden, in denen ich gezwungen war, auf hohen Absätzen zu balancieren, mich mit möglichst anmutigen, kleinen Schritten zu bewegen und keine allzu ausladenden Gesten zu machen, genauso an. Ich verspüre einen fast übermächtigen Drang, mir mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln und laut zu brüllen.
Als ich neben sie trete, spüre ich, wie eine ganze Horde Schmetterlinge in meinem Bauch zu flattern beginnt. Es ist Jahre her, seit ich auf eine Frau an der Bar zugegangen bin, die nicht Caerwen Griffiths war.
»Bitte entschuldigen Sie die Verspätung«, sage ich und strecke ihr die Hand hin. »Tony Huxtable. Sie müssen Amber sein.«
»Oh, hi.« Ihre zarten Finger ergreifen meine Hand, die ich kräftig schüttle.
Natürlich bin ich ihr gegenüber im Vorteil, weil ich eine ganze Menge Informationen über mein vermeintliches »Blind Date« habe. Der sich jedoch augenblicklich in Luft auflöst. Denn statt der Amber, die ich in den vergangenen Tagen kennen – und vielleicht auch lieben – gelernt habe, sitzt nun eine Frau vor mir, die mir nicht automatisch wohlgesinnt ist. Die Frau vor mir ist mindestens um fünf Grad kühler als die Amber, wie sie sich Angela präsentiert hat. Eine Fremde, die einem Fremden begegnet. Es fühlt sich seltsam an.
»Sie sehen Ihrer Schwester sehr ähnlich«, stellt sie fest, wobei sie nicht unbedingt erfreut zu sein scheint.
»Das sagen alle!« Ich ringe mir ein Lächeln ab, das allerdings nicht erwidert wird.
»Wie lief Ihre Konferenz?« Auf ihren Zügen ist nichts von der Lebhaftigkeit zu erkennen, die sie in Angelas Gegenwart an den Tag legt. Sie ist höflich und nett … mehr aber auch nicht. Resigniert dämmert mir, dass sie diesem Treffen vielleicht nur zugestimmt hat, um vor »meiner Schwester« gut dazustehen.
»Mikrotubuli, stimmt’s?«
»Ja. Ganz
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