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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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Geheimniskrämer, Dostojewski, aber von mir aus. Wir können in einer halben Stunde da sein.«
    »Danke. Du tust mir einen echten Gefallen damit. Einen riesigen. Ich bin dir was schuldig.«
    »Ach wo«, wiegelt er ab. »Lad mich einfach nächstes Mal auf ein Bier ein.«
    Ich bin zutiefst gerührt. In all den Jahren, seit ich ihn kenne, ist dies das erste freundliche Wort aus seinem Mund.
    Ein Scheit knackt. Daphne regt sich im Schlaf. »Das habe ich ja noch nie gehört«, murmelt sie.
    9
    Auf Si ist Verlass. Zumindest glaube ich, dass es Si ist – durch den Spalt im Vorhang sehe ich zu wenig, um es genau sagen zu können. Sein Hilfsarbeiter folgt ihm in einem schwarzen Pritschenwagen, um ihn wieder zurückzubringen. Erst jetzt erkenne ich mit Entsetzen, was für ein Vehikel er angeschleppt hat – einen riesigen Uralt-Mercedes, mehr Schlachtschiff als Auto, dessen Lack einst weiß war, nun jedoch von aufgeworfenen Blasen, orangefarbenen Rostflecken und gräulichen Spachtelspuren übersät ist. Von innen ist er jedoch ein echtes Schmuckstück mit einem Armaturenbrett aus Walnussholz und einer durchgehenden, mit robustem Leder bezogenen Sitzbank. Dieser Wagen sieht aus, als wäre er als Taxi die Corniche in Beirut entlanggebraust, was er, soweit ich weiß, auch ist.
    Ich beschließe, Daphne im Sessel schlummern zu lassen. Wenn sie aufwacht, kann sie Eddy anrufen und ihn bitten, sie abzuholen. Ich stelle ein Gitter vor den Kamin und schreibe eilig einen Zettel.
    Liebe Daphne,
    es war sehr nett, Ihre Bekanntschaft zu machen. Bitte entschuldigen Sie mich vielmals, aber ich wurde zu einem dringenden Notfall gerufen.
    Herzlichst
    Angela
    Ich ziehe die Haustür so leise wie möglich hinter mir ins Schloss. Als ich den Mercedes anlasse, verrät mir die Tankanzeige, dass Si ihn bis zum Anschlag gefüllt hat. Vorsichtig lenke ich den Wagen mit besorgniserregend quietschenden Stoßdämpfern die schmale, von Sträuchern gesäumte Zufahrt entlang. Am Ende des Wegs, wo die Straße beginnt, halte ich an und ziehe mir die Stiefel aus. Vier Stunden Fahrt bis nach London sind bequemer barfuß zurückzulegen. Am liebsten würde ich auch die Perücke absetzen, will jedoch keinesfalls peinliche Fragen riskieren, falls ich von der Polizei angehalten werde.
    »Gott segne die Urquhart-Brüder, auch wenn es noch so schräge Vögel sind«, sage ich laut und mache mich auf den Weg zur A5, die mich durch die Midlands nach London führen wird.
    Ich bin noch nicht einmal im dritten Gang, als ich in einem Wäldchen am Straßenrand die Umrisse eines dunklen Wagens ausmache. War das ein Pritschenwagen mit zwei geduckten Gestalten drin?
    Wahrscheinlich spielt mir nur meine Fantasie einen Streich …
    10
    Es ist lange her, seit ich das letzte Mal hinterm Steuer gesessen habe, und definitiv das erste Mal als Frau, und als ich die Hände um das kunstvoll gearbeitete Lenkrad lege und das Schlachtross mit den knarzenden Ledersitzen und dem von penetrantem Ölgestank erfüllten Wageninneren durch den Verkehr lenke, fühle ich mich, als befände ich mich in einer anderen Welt und einem anderen Zeitalter.
    Ambers Flug landet erst in sechs Stunden, und bis sie ihr Gepäck abgeholt und die Passkontrolle passiert hat, wird es noch bestimmt ein, zwei Stunden länger dauern. Deshalb besteht keine Notwendigkeit, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten. Während die Felder und die Heckenreihen von Shropshire und dann Shrewsbury, Telford und Weston under Lizard an mir vorbeiziehen, rufe ich mir das hektische Telefonat noch einmal ins Gedächtnis.
    Wie befürchtet war es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen, dafür zu sorgen, dass Ambers einstiger Geliebter hinter Schloss und Riegel blieb, und das FBI hatte es, wie ebenfalls befürchtet, versäumt, ihn erneut festzunehmen. »Dämliches Geschwätz«, hatte Amber ihre vollmundigen Versprechungen abgetan, sie solle sich keine Sorgen machen. Und Jerome Walsh, wunderbare Vaterfigur und heldenhafter Beschützer, lag im Krankenhaus und erholte sich von einer Schussverletzung, die sie nicht näher beschrieben hatte. »Aber er wird schon durchkommen«, hatte sie gesagt. Ungeklärt war die Frage geblieben, wie Amber es gelungen war, sich aus dem Staub zu machen, als »die Kacke richtig am Dampfen« war. Ich wusste nur, dass sie (mit Arthur?) zum Flughafen gefahren war und sich ein Ticket nach London gekauft hatte. In der Aufregung war ihr sogar erst eingefallen, ihre eigene Waffe zu entsorgen, als sie unmittelbar vor

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