Verlorene Eier
Menge Kies, findest du nicht auch, Tiff …«
»Allerdings, Ryder.«
»Und heute Abend wird die gebürtige Britin und Bestseller-Königin Angela Huxtable eine Kostprobe ihres jüngsten Korsettstürmers geben. Darf ich das Wort Korsett in den Mund nehmen, Tiff …?«
»Du hast es ja bereits getan.«
»Angela hat soeben einen Vertrag über eine Million Dollar mit ihrem Verlag, Frost and Hart, abgeschlossen, und ich freue mich sehr, sie heute Morgen bei uns begrüßen zu dürfen.«
Ich beobachte auf einem Monitor, wie Ryders orangefarbenes Gesicht verschwindet und eine Frau mittleren Alters in einer eierschalenfarbenen Jacke mit leicht verwirrter Miene erscheint. Im ersten Moment erkenne ich mich selbst nicht wieder, da ich mich unvermittelt so sehe, wie mich der Rest der Welt wahrnimmt.
»Und ich bin entzückt, hier sein zu dürfen, Ryder«, erwidere ich mit meiner Angela-Stimme (vorn an den Zähnen, nicht aus der Kehle, wie ich es gelernt habe). »Es ist sogar absolut … entzückend.«
Ich bin sehr nervös. Sich vor eine Gruppe Verlagsmitarbeiter oder loyaler Fans hinzustellen und ein paar Worte abzusondern ist ein anderes Kaliber als ein Aufritt vor einem Millionenpublikum. Es genügt schon, wenn nur eine einzige der Zuschauerinnen Lunte riecht …
Doch Gerald vertritt die felsenfeste Überzeugung, dass das Fernsehen ein absolut primitives Medium ist und die Leute alles schlucken, was man ihnen auftischt. »Sei einfach du selbst« – so lautete der Rat, den er mir vor dem Auftritt gegeben hat und mit dem er auch all seine anderen Klienten bei Gelegenheiten wie diesen ins Rennen schickt. »Na ja, du weißt, wie ich es meine«, fügte er in meinem Fall noch hinzu.
»Es ist völlig egal, was du sagst, solange du nur halbwegs weiblich dabei wirkst und – was noch viel wichtiger ist – solange du aussiehst, als würdest du dich freuen, dort zu sein, wo du gerade bist«, predigte Keith mir während meines Trainingslagers in Marylebone. »Und denk immer daran, dich zu fragen, was Kiki tun würde.«
»Ist dies Ihr erster Besuch in unserer wunderbaren Stadt?«, erkundigt sich Ryder.
»Ja, ist es.«
»Und Sie lesen heute Mittag im Einkaufszentrum in der Fulton Street aus Ihrem neuesten Buch …«
»Ja. Sündige Leidenschaft . Vielen Dank, dass Sie es erwähnen.«
Ryder lacht leise, besser gesagt, er gibt ein tiefes Gurgeln von sich. »Stets gern zu Diensten, stimmt’s, Tiff?«
»Absolut, Ryder.«
»Aber bitte, Angela, verraten Sie mir doch Folgendes«, fährt er fort, beugt sich mit zusammengekniffenen Augen vor und mustert mich fragend. »Wieso sind Liebesromane im Augenblick so populär? Liegt es daran, dass wir in schweren Zeiten nach einer Möglichkeit suchen, dem Alltag zu entfliehen?«
»Es könnte teilweise der Grund dafür sein. Der andere Grund ist, dass wir alle die Liebe in unserem Leben brauchen. Sei es nun die erfundene … oder die reale.«
»Und welche davon ist die bessere?«
Seine dunklen Augen leuchten, und er blickt lange genug mit dieser »Na, bin ich nicht ein schlaues Kerlchen?«-Miene in die Kamera, dass sie dem Zuschauer bloß nicht entgeht. Er glaubt allen Ernstes, er hätte einen intellektuellen Volltreffer gelandet.
»Tja, Ryder, was soll ich darauf sagen? Kann ein erstklassiges imaginäres Filetsteak neben einem echten Durchschnittssteak bestehen?«
»Oho, ich denke, das sollte unsere Frage des Tages sein, Leute.«
Ich komme mir ein klein wenig blöd vor. Imaginäres und echtes Steak? Ich bezweifle, dass dies eine Antwort à la Kiki war. »Wo wir gerade dabei sind, Ryder«, erkläre ich, um so schnell wie möglich das Thema zu wechseln, »Sie erinnern mich ein wenig an den Helden meines ersten Romans, Captain Jack Dashwood …«
»War das der teuflisch gut aussehende mit den gemeißelten Zügen und der royalen hohen Stirn?«
Grundgütiger. Tiffany Ng hat sich zwei ihrer manikürten Finger auf ihren Amorbogen gelegt, um ihre Belustigung zu kaschieren. In der verglasten Regiekabine sehe ich mehrere Gestalten, die sich vor Lachen auszuschütten scheinen. Die Einzigen, die ihre stoische Miene wahren, sind die Kameraleute im Studio. Ich kenne dieses Phänomen aus meinen Zeiten in der Fleet Street. Wir Journalisten dachten immer, wir seien ausnahmslos Überflieger, während uns die Leute aus der Druckerei für absolute Schwachköpfe hielten. (Ich spreche von der Zeit, als es noch Drucker gab .)
Das Interview geht im selben Tenor weiter – eine Aneinanderreihung
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