Verlorene Eier
Stunde in der Druckerei sein.«
»Herzliches Beileid, Sir.«
»Danke«, erwidere ich ohne einen Funken Scham.
18
Arthur hat ziemlich gute Arbeit geleistet. Wir stehen schön mittig, und alles sieht gut aus. Am rechten unteren Bildrand prangt eine Mitteilung – kein unbeholfenes Mädchengekritzel, sondern eine verblüffend reife Frauenhandschrift:
Für Angela.
Von einer begeisterten Anhängerin. Happy Ends machen den lausigen Alltag so schön bunt!
Für immer
Amber XXX
Unsere Gesichter, Seite an Seite, erscheinen mir völlig surreal: Ihres ist offen, mit einem strahlenden Sonnenscheinlächeln, und trotz der pixeligen Qualität der Digitalfotos sieht man das Leuchten in ihren Orangenmarmeladenaugen. Sie sprüht förmlich vor jugendlicher Vitalität. Angelas, beziehungsweise mein Gesicht ist halb unter der theatralischen Perücke verborgen, und in meinen Augen liegt eine seltsame Intensität, die manche wohl als irritierend bezeichnen würden.
Gerald, der inzwischen alles geregelt hat, bedeutet mir, dass es Zeit wird, sich auf den Weg zu machen. Doch ich bin noch immer mit meinen Gedanken bei Amber.
Woher wusste sie, wo ich abgestiegen bin?
Und wieso sieht Angela auf dem Foto mich so vorwurfsvoll an? Warum meldet sich wieder diese Stimme in meinem Kopf zu Wort: Tu diesem Mädchen nicht weh …
Wie könnte ich?
KAPITEL VIER
1
Vierundzwanzig Stunden später sitze ich in einem Fernsehstudio in Washington, D.C., und warte auf meinen Auftritt in einer Sendung namens Good Morning, Washington! mit Ryder Whiteswan und Tiffany Ng.
Die Kinder sind unterwegs in die Schule, die Pendler sitzen im Zug in die Innenstadt, was mir ein »stark der weiblichen Demographie zugeneigtes« Publikum beschert, um Georges PR -Begleitmaterial zu meinem Ablaufplan zu zitieren. Dementsprechend fällt auch die Auswahl der anderen Gäste aus: eine Seifenoper-Darstellerin, eine Hellseherin, die Moderatorin, die die nachfolgenden Sendungen ankündigt, ein per Telefon zugeschalteter Arzt sowie »Washingtons Speerspitze der Kochkunst, Tonio Tripodi, der uns gleich nach der Werbeunterbrechung zeigen wird, was für wunderbare Gerichte sich aus dem am meisten unterschätzten Gemüse, der Zucchini, zaubern lassen. Bleiben Sie dran«.
Der Beitrag des berühmten Kochs wurde bereits vorher aufgezeichnet und wird nun eingespielt. Während das Publikum also wunderbare Details über die Kunst des Bratens und Frittierens erfährt, werde ich von einem Redakteur zu meinem Platz neben Ryder und Tiffany begleitet.
Ryder, unübersehbar eine lokale Berühmtheit, ist die Personifizierung des klassischen romantischen Helden: Stellen Sie sich Clark Gable in Vom Winde verweht vor, plus fünfzehn Jahre und ebenso viele Kilos sowie vermutlich eine Badewanne voll Whiskey. Der Mann verströmt diese nicht zu leugnende Onkelhaftigkeit, wie man sie bei vielen Fernsehmoderatoren einer gewissen Altersklasse findet, und trägt eine so dicke Make-up-Schicht, dass sein Teint einen ähnlichen Orangeton aufweist wie der von Ronald Reagan. Seine Co-Moderatorin, Miss Ng, ist eindeutig Dauerkundin beim Schönheitschirurgen. Sie ist mit großer Sorgfalt zurechtgezurrt, aufgedonnert und auf Hochglanz poliert, mit beneidenswerter Pfirsichhaut und so leuchtendem Haar und perlweißen Zähnen, dass sie eine Gefährdung des Flugverkehrs darstellen, wenn sie in die Sonne tritt, mit dem Ergebnis, dass sie etwa so viel Sex-Appeal ausstrahlt wie ein Stück Seife.
»Noch fünf Sekunden«, ruft der Redakteur.
Die Studiobeleuchtung geht an. Ryder scheint sich aufzurichten, als hätte ihm jemand einen Schlauch in den Hintern gesteckt und die Pumpe angeworfen, und in seinen Augen liegt ein verschmitztes Funkeln, das vorher noch nicht da war. Ein rotes Licht blinkt, und er spricht direkt in die Kamera.
»Das klingt ja sehr lecker, Tonio. Vielen Dank.« Er wendet sich Miss Ng zu. »Ich habe früher ja auch mal einen Zucchini gefahren.«
»Tatsächlich.«
»Ja, einen kleinen roten. Toller Flitzer. Oder hieß das Ding Lamborghini? Ach, keine Ahnung.«
Was für ein toller Witz. Tiffany stößt so etwas wie einen amüsierten Seufzer aus und zieht eine Grimasse, als wollte sie sagen: Okay, er ist ein Arschloch, aber er ist unser Arschloch. Gott segne ihn.
»Nun«, dröhnt er, »Liebesromane erfreuen sich neuerdings einer bisher ungekannten Beliebtheit in den USA . So erreichten die Umsatzzahlen für romantische Literatur im vergangenen Jahr sagenhafte 1,4 Milliarden Dollar. Das ist eine
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