Verlorene Eier
Kellner oder Gerald, als er seinen neuen Platz eingenommen hat.
Unsere Blicke begegnen sich. Er beißt sich auf die Lippe. Ich spüre, wie mich eine Woge der Übelkeit überkommt, gepaart mit dem schier überwältigenden Bedürfnis, in schallendes Gelächter auszubrechen.
»Wie sind Sie eigentlich zum Verkauf gekommen, mein Lieber?«, erkundige ich mich bei dem Jüngelchen neben mir (der auf der Seite sitzt, auf der sich der unselige Ausrutscher abgespielt hat).
Während er antwortet, versuche ich, mit einem Höchstmaß an weiblicher Diskretion meine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen. Als ich – Mission erfüllt – zu Gerald hinübersehe, bemerke ich, dass er sich angeregt mit Spavik unterhält, während sein unübersehbar nach oben gereckter Daumen aus seiner zur Faust geballten Hand auf dem Tisch ragt.
Ich kann nur hoffen, dass außer Gerald niemandem mein Missgeschick aufgefallen ist.
»Und? Amüsieren Sie sich?«, will George von mir wissen.
»Oh ja, sehr sogar. Alle sind so unglaublich nett.«
»Nun ja, Lesereisen können ja eine schrecklich einsame Angelegenheit sein«, schnurrt sie. »Lassen Sie Mr Huxtable zu Hause, wenn Sie unterwegs sind?«
»Nun, meine Liebe, im Moment gibt es keinen Mr Huxtable.«
»Oh, bitte entschuldigen Sie. Das tut mir leid.«
»Muss es nicht, meine Liebe.«
»Ihre Biografie ist ziemlich knapp gehalten.«
»Tja, all das trägt zum geheimnisumwitterten Image der Autorin bei, nicht?«
»Verbieten Sie mir einfach den Mund, wenn ich zu aufdringlich werde.« Sie hält kurz inne. »Gab es denn jemals einen Mr Huxtable?«
Ich muss schlucken. Mein Armband klimpert leise, als ich nach meinem Weinglas greife.
»Nein, meine Liebe. Nein, den gab es nie. Das Leben … nun ja, es hat eben nie geklappt. Und heute lebe ich glücklich und zufrieden mit meinen Hunden und meinen Bienen. Und meinen Pferden. Nun ja, genauer gesagt, einem Pferd«, blubbere ich. »Wenn Hovis einmal nicht mehr ist, möchte ich keines mehr haben. Die Abschiede sind so schmerzlich …«
Mist. Das war doch mein Text für die Hunde, oder? Sind Abschiede von Pferden auch schmerzlich? Wahrscheinlich schon.
Ein sanfter Ausdruck ist in Georginas Augen getreten, und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht.
»Sie brauchen sich nicht verpflichtet zu fühlen, darüber zu sprechen«, sagt sie.
»Vielen Dank, George.«
»Meine Großmutter hatte auch Bienen.«
»Tatsächlich.« Verdammt. »Es sind so faszinierende kleine Geschöpfe.« Ich muss mich dringend bei nächster Gelegenheit mit den Feinheiten der Bienenzucht vertraut machen.
»Oma hat ihren Bienen immer etwas vorgesungen, um sie in den Stock zurückzulocken. Zumindest hat sie das behauptet.«
»Oh, das muss ich auch mal probieren.«
»Aber vielleicht hat sie auch nur Blödsinn erzählt.«
Wir lachen. Wieder spüre ich die seltsame sexuelle Anziehungskraft, die diese junge Frau auf den männlichen Teil von mir – Halt! Stopp! Falsch, auf den Mann, der ich in Wahrheit bin ! – ausübt. Okay, sie ist keine Amber, wenngleich sehr attraktiv und gut aussehend. Doch ihrer Schönheit fehlt dieses Mystische, Geheimnisvolle. Es ist schwer, sich versaute Träume mit Georgina Steinitz vorzustellen.
»Es ist so schön, Sie alle kennenzulernen«, meine ich und tätschle ihre Hand, worauf sie meine Finger mit ihrer freien Hand packt und sie einen Moment lang fest umschlossen hält.
»Angela«, erwidert sie, »das beruht absolut auf Gegenseitigkeit.«
16
Nach einer ganzen Reihe von Verabschiedungen und Dankesbekundungen – ich bin sogar gezwungen, mich mit Luftküssen von Spavik zu verabschieden, während Gerald den Blick eisern auf den Boden richtet und seine Unterlippe bis aufs Blut zerkaut – sitzen mein Agent und ich endlich im Taxi und fahren zum Hotel zurück.
»Wieder eine ziemlich selbstbewusste Vorstellung«, erklärt er, während das Taxi im Schein endloser Rücklichter eine der riesigen Avenues entlangholpert. »Im Großen und Ganzen zumindest«, fügt er vielsagend hinzu.
»Die Boxershorts.«
»Sehr farbenfroh.«
»Danke für den Moby-Dick-Einwurf, Gerald. Die historischen Pub-Schilder hätten uns Kopf und Kragen kosten können.«
»Ich fand, du hast dich bewundernswert schnell wieder gefangen.«
»Und das mit dem Wein tut mir auch leid. Es war Noras Schuld. Sie hat mir erzählt, dass Daphne Ottershaw ein ganzes Jahr als Mann in Paris gelebt hat.«
»Nach all diesen Geschichten, die man sich über sie erzählt, würde es mich nicht
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