Verlorene Eier
meine Liebe, nein. Ich bin eher altmodisch«, antworte ich und spüre, wie ich unter meiner Kriegsbemalung tiefrot anlaufe.
»Oh, aber das sollten Sie unbedingt tun«, ereifert sich Carmel. »Ich würde das Buch kaufen!«
»Tatsächlich? Nun, wenn das so ist, setze ich mich gleich morgen früh ans erste Kapitel.«
Da ich nicht dabei gelächelt habe, sind sich die anderen Anwesenden nicht sicher, wie sie meine Erwiderung einordnen sollen. Verzweiflung packt mich. Irgendetwas an dieser surrealen Sendung, an dieser Stadt, an dieser ganzen Aktion, lässt den Mann in mir wieder erwachen, und ich verspüre ein fast körperliches Verlangen nach Amber, so wie man nach einer Zigarette giert.
Doch zum Glück reißt Reid Pickles das Ruder noch einmal herum. Im zweiten Teil seiner Bienen-Romanserie, Der große Schwarm , kommt eine Nebenfigur mit Transen-Neigung vor. Dann setzt er zu einem langen Vortrag über den Zusammenhang zwischen Bienenzucht und Mörderjagd – wussten wir, dass Sherlock Holmes sich nach seiner Pensionierung als Imker betätigte? – und darüber an, dass in seinen Romanen die Bienen selbst den Fall lösen. Allerdings hält er sich im Hinblick auf das Wie eher bedeckt.
»Sie sind doch auch Bienenzüchterin, Angela«, meldet sich Miss Killerbrille zu Wort, die offenbar den »Über die Autorin«-Abschnitt am Ende des Buches gelesen hat.
Ich bin vorbereitet. »Ja, früher, meine Liebe. Aber ich fürchte, ich musste die Bienenzucht aufgeben. Dieses Summen, verstehen Sie … Es ging mir auf die Nerven.« Aus dem Augenwinkel registriere ich, dass Gerald auf den Boden starrt, und bin ziemlich sicher, dass seine Unterlippe gleich gehörig in Mitleidenschaft gezogen werden wird. »Ich habe Summen gehört, obwohl weit und breit keine Biene zu sehen war.«
»Wie Stimmen, meinen Sie«, hakt Miss Killerbrille nach.
»Nein. Wie Bienen, meine Liebe.«
Miss Killerbrille sieht mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Zum Glück hat Earl Kollias, ein Fettsack im Hawaiihemd, ein paar launige Poker-Anekdoten auf Lager, um die Stimmung aufzulockern; besonders amüsant ist die Geschichte, wie er dreißigtausend Dollar gewann, weil »ich beim ersten Aufdecken Drillinge auf die Hand kriege und prompt ein Full House hatte. Mit Königinnen und Achten«.
Als ich an der Reihe bin und von meiner Arbeit erzählen soll, fühle ich mich sofort wieder auf sichererem Terrain, obwohl mir dieser wissende Ausdruck auf Carmels Gesicht, wann immer ich in seine Richtung sehe, noch immer Bauchschmerzen bereitet.
»Und eine abschließende Frage: Welchen Rat würden Sie allen Hobby-Liebesromanschreibern da draußen geben?«
»Lasst es bleiben. Es gibt schon viel zu viele Autoren und Bücher. Hätte ich die Chance, noch mal neu anzufangen, würde ich Profi-Pokerspieler werden.«
Das ist zwar eine völlig schwachsinnige Antwort, doch ich habe den Punkt, an dem mich so etwas noch kümmern könnte, längst überschritten.
»Sie würden eine verdammt gute Zockerin abgeben«, erklärt Earl. »Bei Ihnen wüsste keiner, woran er ist«, fügt er hinzu, was meine Besorgnis nicht gerade schmälert.
»Ich danke meinen Gästen. Und zum Abschluss hören wir noch einen eigenen Song von Clover Horncastle. Ich darf mich von Ihnen verabschieden und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
Die Kamera schwenkt auf eine blasse junge Frau, die mit ihrer Gitarre auf einem Barhocker sitzt. Der Song, den sie zum Besten gibt, ist eine Art Trauergesäusel-Schrägstrich-Heulsusensingsang-Schrägstrich-Suizidgejammere, aber ihre Stimme ist so absurd zittrig, dass ich größte Mühe habe, meine respektvolle Miene zu wahren. Ich bemerke, dass Gerald inzwischen das Studio verlassen hat. Auf einem Monitor sehe ich den Abspann über den Bildschirm laufen. Und kurz darauf hat das Leid ein Ende.
»Gerald, ich glaube, ich packe es nicht mehr«, meine ich zu ihm, als ich ihn auf dem Korridor wieder treffe.
»Das war ein bisschen … anders. Das stimmt.«
Carmel, die Transe, steuert auf mich zu. »Ihre Kette gefällt mir, Schätzchen«, sagt sie, während ich wie in Zeitlupe beobachte, wie sie in ihre Handtasche greift. Pistole ist mein erster Gedanke, was zeigt, wie durchgedreht ich schon bin.
Doch es sind nur zwei Eintrittskarten für ihre Show.
14
»Ich will in eine Bar. Egal in welche«, knurre ich unseren Begleiter an.
»Möchtest du dich nicht erst … frisch machen«, wirft Gerald ein.
»Wenn ich die neue Daphne Ottershaw werden soll, werde
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