Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
Vom Netzwerk:
Zeitungsinterview auf dem Programm.
    »Brauchen Sie eine Kirche zum Gebet?«, erkundigt sich Verity freundlich.
    Geralds Unterlippe, die bereits reichlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, erfährt neuerliche Bearbeitung.
    »Danke, meine Liebe, aber es wird schon gehen.«
    Verity erzählt uns von einer historischen Kirche in unmittelbarer Nähe, in der noch die Luftlöcher im Kellerboden zu sehen sind, unter dem sich einst Sklaven versteckten, ehe sie sich aufmacht, um in der Buchhandlung nach dem Rechten zu sehen, wo später die Lesung stattfinden soll.
    »Vielleicht sollten wir ja beten«, schlägt Gerald vor, nachdem sie verschwunden ist.
    »Oh, ich glaube, dafür ist es ein bisschen zu spät. Außerdem würde Gott sowieso nie einen Mann in Frauenkleidern anhören.«
    »Er würde dir ins Herz blicken.«
    Doch ich höre gar nicht mehr hin. In der Ferne glaube ich ein langes Paar Beine in einem weißen Rock zu erkennen, eine Jeansjacke, eine Sonnenbrille und etwas Weißes, bei dem es sich um einen Elfenbeinring handeln könnte. Die Frau geht auf der anderen Seite des Platzes auf die Kreuzung zu. Ein leuchtend bunter Oberleitungsbus versperrt mir für einen Augenblick die Sicht. Als er weiterfährt, ist sie verschwunden.
    Sie war in Begleitung eines Jungen. Und – wie es aussah – eines großen, breitschultrigen Mannes.
    »Entschuldige, Gerald, was sagtest du gerade?«
    »Du siehst aus, als hättest du jemanden gesehen, den du kennst.«
    »Nein. Gar nicht. Hast du zufällig Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
    »Wie geht’s deinem Kater?«
    »Fast verflogen.«
    »Du scheinst ja wieder in Topform zu sein.«
    »Gerald, die Sonne scheint, wir sind in Savannah – wie exotisch das klingt –, ich sitze hier mit meinem brillanten Agenten, verdiene eine Million Dollar und werde gleich vor meine loyalen Fans treten, in deren Augen ich scheinbar nichts falsch machen kann. Was will man mehr, hm?«
    »Bill«, flüstert er, »du redest … wie Bill.«
    Scheiße. »Tut mir leid, mein Lieber. Habe ich etwa vergessen, richtig zu sprechen? Es muss an der Aufregung liegen. So was kann einem Mädchen schon mal zu Kopf steigen.«
    17
    Wir betreten die Buchhandlung – auch sie ist einer dieser bezaubernden exzentrischen Läden, die keiner Kette angehören und es aus einem unerfindlichen Grund dennoch schaffen zu überleben. Vielleicht liegt es ja daran, dass der Inhaber leidenschaftlicher Buchliebhaber ist, das Gebäude besitzt und sonst nichts mit seinem Leben anzufangen weiß.
    Es haben sich nicht ganz so viele Fans eingefunden wie sonst, aber trotzdem ist die Zahl durchaus respektabel. Und die Lesung läuft besser als alle bisherigen. Meine Intonation ist (wie ich selbst neidlos zugeben muss) erstklassig, das Timing ist tadellos, und die Gesten stehen in perfekter Harmonie mit dem Inhalt meiner Worte. Erfreut entdecke ich sogar kleine Momente der Heiterkeit und des Humors in meinem Text, die mir beim letzten Mal verschlossen geblieben waren.
    (Und habe ich erwähnt, wer in der letzten Reihe sitzt?)
    Die Fragen nach der Lesung sind stimulierend und beharrlich gleichermaßen. Wieso spielen meine Romane immer in vergangenen Zeiten? (»Die Vergangenheit wohnt in uns allen und ist ein ständiger Teil von uns. In gewisser Hinsicht ist sie so gegenwärtig wie die Gegenwart.«) Wieso immer all die Wellen und Felsen? (»Wasser ist ein universelles Symbol für das Unterbewusstsein, für die tiefe Leidenschaft, die unter der Oberfläche schlummert.«) Und wieso die Obsession, dass die Vornamen meiner Heldinnen ausnahmslos mit C beginnen? (»Das kann ich Ihnen ebenso wenig erklären, wie eine Schwalbe beantworten kann, wie sie den Weg nach Afrika findet.«)
    Ich bin gut gelaunt. Ich bin witzig. Ich bin glücklich. Sie inspiriert mich.
    Deshalb muss es Liebe sein.
    »Hallo, meine Liebe. Wie nett, Sie zu sehen.« Immer schön locker-flockig bleiben.
    Wie gewohnt hat Amber sich als Letzte in der Schlange derjenigen angestellt, die ihre Bücher signiert haben wollen. Als sie ihre Beine unter den Tisch schiebt, spüre ich, wie mich die Anziehungskraft regelrecht aus den Angeln zu heben scheint. Auf ihren Wangen liegt eine zarte Röte, als hätte sie eine Runde durch den Park gedreht.
    »Oh, Angela, es tut mir wahnsinnig leid, dass ich Sie in Atlanta verpasst habe. Aber in Washington lief leider einiges schief. Was soll ich sagen?« Sie nimmt ihre Puma-Brille ab, biegt die Bügel auseinander und setzt sie sich aufs Haar. Ihre Augen

Weitere Kostenlose Bücher