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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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oben auf seiner Liste der besonderen Highlights.
    Whitaker chauffiert uns durch den morgendlichen Verkehr zum Hotel. Er ist einer dieser kleinen Fettsäcke, der den Sitz ganz nach vorn ziehen muss, um die Pedale zu erreichen. Ich betrachte die Passanten. Mir fällt auf, dass die Temperatur im Verlauf unserer dreizehnstündigen Fahrt beträchtlich angestiegen ist. Ich ertappe mich dabei, dass ich nach Amber Ausschau halte.
    Die Frau an der Rezeption sieht mich sehr merkwürdig an, als wir einchecken.
    »Ihre Schlüsselkarte, Ma’am «, sagt sie mit einer völlig unnötigen Betonung auf der Anrede.
    Als ich endlich in meinem Badezimmer stehe, eröffnet sich mir das wahre Ausmaß der Katastrophe: Ein hässlicher Bartschatten dringt durch die dicke Make-up-Schicht, meine Lippen sind äußerst nachlässig nachgezogen, und die Puderspuren meiner T-Zone springen einem förmlich ins Gesicht. Ich sehe wie das Phantombild eines flüchtigen Gangsters aus. Nur die Perücke der berühmten Theaterschauspielerin sitzt an Ort und Stelle, so dass die Ponyfransen und die langen Strähnen das Schminkfiasko wenigstens halbwegs vor dem Rest der Welt verbergen.
    Gott segne Whitaker Crouch, der bei meinem Anblick mit keiner Wimper gezuckt oder sich gar auf der Stelle übergeben hat. Für ihn bin ich nur eine weitere exzentrische Nudel, die aus ihrem Loch hervorgekrochen ist, um in Atlanta ihre Bücher an den Mann oder die Frau zu bringen.
    Bis zur Lesung bleiben mir noch zwei Stunden, also nehme ich die Perücke ab, entferne das Make-up, rasiere mich und mache mich dann an die Restaurierung meines Gesichts.
    13
    Ich sehe auf den ersten Blick, dass sie nicht da ist.
    Eine stattliche Zahl an Fans hat sich in der Buchhandlung eingefunden – vierzig oder fünfzig Angela-Liebhaberinnen belegen die Klappstühle mit Beschlag. Ein ziemlich gutes Ergebnis dafür, dass es erst elf Uhr vormittags ist, aber keine von ihnen trägt einen Daumenring aus Elfenbein oder eine Puma-Sonnenbrille. Ihr Fehlen schlägt sich nicht gerade positiv auf meine Vortragsqualitäten nieder: Ich habe Probleme mit dem Timing, meine Gesten passen nicht, und ich verspreche mich bei so einfachen Worten wie »Heckenreihe«. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, denn immer wieder wandert mein Blick zur Eingangstür, um zu sehen, ob sie sich nur ein wenig verspätet hat. Enttäuschung macht sich in mir breit. Als ein Mädchen in einem kurzen Rock vor dem Schaufenster vorbeigeht, legt der Lachs in meinem Bauch einen Salto hin. Wieso ist sie nicht aufgetaucht? Wir sind mit dem Auto gefahren , hat sie mir gestern erzählt. Was könnte passiert sein? Eine Panne? Ein Unfall? Verärgerung brodelt in mir auf. Auf Whitaker Crouchs Zügen liegt ein blasiertes Lächeln, bei dessen Anblick ich ihm am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Selbst Gerald, der pausenlos mit dem Fuß wippt, geht mir auf die Nerven. Plötzlich erscheint mir diese ganze Verkleidungsaktion völlig sinnlos, und ich spüre das gefährliche Bedürfnis, mir die Perücke vom Kopf zu reißen und meine Hühnerfilets in die Ratgeber- und Esoterik-Abteilung zu schleudern.
    »… in diesem Moment richtete Edgar Wellington Dupree ihre großen kornblumenblauen Augen zum allerersten Mal auf die düsteren Züge des neuen Herrn von Hardings Hall, Edgar Wellington Dupree.«
    Ich klappe das Buch zu und wappne mich für den Dialog mit meinen Leserinnen. Doch statt höflichen Applaus zu hören, blicke ich nur in vierzig verwirrte Augenpaare.
    »Oh, Sch … Scheibenkleister. Natürlich meinte ich die kornblumenblauen Augen von Camilla Trebolter. Die sich auf die Züge des neuen Herrn richten. Aber das war Ihnen natürlich klar, oder?«
    Auch der Fragenteil geht alles andere als mühelos über die Bühne. Ich muss mich zwingen, freundlich zu bleiben. Als mich eine Frau fragt: »Welches sind die gemeinsamen Themen, die in all Ihren Büchern vorkommen?«, droht mir der Geduldsfaden zu reißen.
    »Nun, meine Liebe, ich hätte gedacht, das liegt auf der Hand.«
    Die Frau scheint zutiefst gekränkt zu sein und läuft rot an. Geralds Fuß wird still. Die Inhaberin der Buchhandlung hat den Mund aufgeklappt, sagt allerdings nichts. Doch dann eilt verblüffenderweise Whitaker Crouch zu meiner Rettung herbei. Der Zwerg hat die ganze Zeit an der Seite gesessen, aber nun erhebt er sich, was ihn seltsamerweise noch kleiner wirken lässt. »Mit den offensichtlichen Themen meinen Sie gewiss diejenigen, die immer wieder von Bedeutung in

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